SPONSORs: Herr Berthan, Sie stehen seit rund eineinhalb Jahren an der Spitze der Bauerfeind AG. Was hat Sie – nach über 20 Jahren im Top-Management international agierender Unternehmen – an der Führungsposition in einem traditionsreichen Familienunternehmen gereizt?
Berthan: Das letzte Unternehmen, in dem ich tätig war, ist durch eine Fusion sehr groß geworden – daraus ist sogar ein Nasdaq-100-Unternehmen entstanden. Ich wollte gern wieder in einem Unternehmen arbeiten, in dem ich nah am Geschäft bin und es möglich ist, regelmäßig Kontakt zu Kunden, Mitarbeitern und Vertriebspartnern zu haben. Zudem wollte ich – nach Jahren in der weiten Welt – wieder näher an meine alte Heimat heranrücken.
SPONSORs: Sie waren in Europa, China und den USA in der Maschinenbau-Branche, in der Elektrotechnik und in der Medizintechnik tätig. Wo liegen die größten Unterschiede und wie sehen Sie Bauerfeind in seinem Geschäftsfeld positioniert?
Berthan: Die Herangehensweisen an den Markt weisen in diesen Branchen viele Parallelen auf. Mit Bauerfeind sind wir sowohl in Deutschland als auch international in der Führungsgruppe vertreten – was sowohl die Größe als auch die Bedeutung unserer Produkte angeht. Die einzelnen Märkte sind dabei nicht immer vergleichbar. Das ist für mich eine vertraute Situation, gerade im Bereich der Medizinbranche gibt es eigentlich kaum so etwas wie einen internationalen Markt – anders ist das etwa in der Elektrotechnik.
SPONSORs: Warum ist das so?
Berthan: Weil die einzelnen Länder schon immer sehr umfangreiche Regularien über Medizinprodukte geschaffen haben. Dies führt oft dazu, dass Hersteller aus dem jeweiligen Heimatmarkt am besten angepasst sind. Auch deshalb gibt es meist viele regionale Märkte. Es ergibt sich in der Folge ein heterogenes Marktfeld und dem müssen wir uns anpassen.
Rainer Berthan (Jahrgang 1963) stammt gebürtig aus Bayern und ist
Diplom-Betriebswirt. Bevor er Anfang 2020 den Vorstandsvorsitz
der Bauerfeind AG übernahm, war er über 20 Jahren im Top-Management
international agierender Unternehmen in der Maschinenbau-Branche, in der
Elektrotechnik und in der Medizintechnik in Europa, den USA und China
aktiv. In dieser Zeit sammelte er umfangreiche Erfahrungen in der
Unternehmensführung, im Change-Management sowie im Optimieren und
Digitalisieren von Geschäftsprozessen. Vor seinem Wechsel
zu Bauerfeind war er zuletzt bei Dentsply Sirona tätig, dem weltweit
größten Hersteller für Dentalprodukte und Dentaltechnik für Ärzte und
Techniker in Zahnarztpraxen, zahntechnischen Laboratorien und Kliniken.
In seiner Freizeit geht Rainer Berthan gerne mit seiner Frau zum Wandern
und fährt begeistert Ski – in dem Zusammenhang sammelte er bereits in
den 1980er Jahren ersten Erfahrungen mit Bauerfeind-Produkten.
SPONSORs: Ihr Vorgänger Hans Bauerfeind stand ein halbes Jahrhundert an der Unternehmensspitze. Welche Akzente haben Sie seit Ihrem Antritt gesetzt?
Berthan: Es geht zunächst einmal darum, das Erreichte mit Kontinuität fortzuführen. Wir stehen nicht dafür, jedem Trend hinterherzulaufen, sondern für Berechenbarkeit und Produkte mit Qualität und medizinischer Wirksamkeit. Worauf wir sicherlich viel Aufmerksamkeit verwenden, ist unsere Internationalisierungsstrategie. Das ist ein wesentliches Thema für die Zukunft, weil sich viele Märkte im Bereich Gesund- und Medizinprodukte und auch im Sport mit großer Dynamik weiterentwickeln.
SPONSORs: Wie findet sich das in den Geschäftszahlen wieder?
Berthan: Unser Heimmarkt ist Deutschland und hier haben wir eine sehr gute Position, die wir – zusammen mit dem Fachhandel, der für uns außerordentlich wichtig ist – weiter ausbauen wollen. Wir haben heute aber im Auslandsgeschäft schon einen Anteil, der in etwa die Hälfte unseres Geschäfts ausmacht. Auch hier liegt noch ungenutztes Potenzial.
SPONSORs: Vor der Corona-Krise hat Bauerfeind einen Umsatz von rund 300 Millionen Euro erzielt. Wie sehr hat Sie die Pandemie getroffen?
Berthan: Wir haben hauptsächlich im Auslandsgeschäft Effekte gespürt. So eine Krise geht nicht spurlos an einem vorbei. Da wir rund um die Welt präsent sind, konnten wir sehen, wie die Corona-Welle von einer Region in die nächste gerollt ist. 2020 mussten auch wir eine Delle verzeichnen, aber in einer überschaubaren Größenordnung. Wir stecken uns inzwischen neue Ziele.
SPONSORs: Wie sehen die in Zahlen gesprochen aus?
Berthan: Unsere Märkte sind schon relativ saturiert und es dürfte kaum jemanden geben, der nachhaltig zweistellig wächst. Aber wir liegen hier im höheren einstelligen Bereich. Diese Wachstumsraten der Vergangenheit würden wir gern übertreffen.
Die Bauerfeind AG aus Zeulenroda (Thüringen) wurde 1929 gegründet und ist
mit einem Umsatz von rund 300 Millionen Euro und Produkten „Made in
Germany“ einer der führenden Hersteller medizinischer Hilfsmittel wie
Bandagen, Orthesen, Kompressionsstrümpfe und orthopädischen Einlagen.
2016 kam die eigene Sportlinie „Bauerfeind Sports“ hinzu. Darüber hinaus
entwickelt Bauerfeind unter der Dachmarke „Bodytronic“ 3D-Technologie,
die Körpermaße ermitteln, Belastungssituationen grafisch darstellen und
Messergebnisse dokumentieren. Bauerfeind ist mit Tochtergesellschaften
in über 20 Ländern vertreten und arbeitet mit mehr als 70 Distributoren
zusammen. Produziert wird ausschließlich in Deutschland, wo 1300
Mitarbeiter tätig sind, davon 1100 in Zeulenroda-Triebes. Weltweit
beschäftigt das Unternehmen 2100 Mitarbeiter.
Sport-Partnerschaften der Bauerfeind AG
Seit 2002 kommen Bauerfeind-Produkte bei Olympischen Spielen zum
Einsatz – zunächst ausschließlich bei der deutschen Mannschaft. Seit
2010 ist das Unternehmen als Partner des jeweiligen nationalen
Organisationskomitees für die Versorgung aller teilnehmenden Nationen
zuständig.
Bauerfeind ist darüber hinaus in Deutschland Sponsor von Clubs in
diversen Sportarten, unter anderem beim FC Schalke 04 (Fußball), THW
Kiel (Handball), Alba Berlin (Basketball) und dem SSC Palmberg Schwerin
(Volleyball). Als Service-Partner der Deutschen Sporthilfe unterstützt
Bauerfeind zudem alle 3800 von der Sporthilfe geförderten Athleten im
Verletzungsfall und präventiv mit Bandagen, Orthesen,
Kompressionsstrümpfen und medizinischem Know-how.
Als Testimonials für die Runningprodukte der Marke Bauerfeind
fungieren die „Hahner Twins“, Lisa und Anna. Auch
Speerwurf-Olympiasieger Thomas Röhler, der deutsche Spitzenturner
Andreas Toba sowie Felix Wiemers, deutscher Freerider im Ski, zählen zum
Kreis der geförderten Athleten. Weltweiter Markenbotschafter der
Bauerfeind AG ist seit 2016 Basketball-Star Dirk Nowitzki, der
erfolgreichste deutsche Basketballer aller Zeiten.
Seit 2018 besteht zudem eine Lizenzpartnerschaft von Bauerfeind mit
der NBA. Sie gestattet Bauerfeind den weltweiten Vertrieb von vier
verschiedenen Sport-Kniebandagen mit NBA-Logo sowie von sechs
Team-Editionen (Boston Celtics, LA Lakers, Dallas Mavericks, Houston
Rockets, Chicago Bulls und New York Knicks). Darüber hinaus besteht seit
2015 eine offizielle Partnerschaft mit der National Basketball Athletic
Trainers Association (NBATA), einer Vereinigung von Athletiktrainern,
Physiotherapeuten und Ärzten von NBA-Mannschaften.
SPONSORs: Wie sehr helfen dabei Ihre Sponsoringpartnerschaften im Sport?
Berthan: Für uns sind sie eine elementare Marketing-Säule. Der Zugang ist dabei je nach Markt höchst unterschiedlich. In Deutschland wird traditionell sehr wenig von unseren Medizinprodukten privat verkauft, sondern 99 Prozent gehen in die Abrechnung einer Krankenversicherung. In anderen Märkten sind es die Patienten oder die Kunden hingegen gewohnt, unsere Produkte selbst zu bezahlen. In Asien etwa haben wir ein sehr viel stärkeres Empfehlungsmarketing durch die soziale Bezugsgruppe. Unabhängig davon hat das Thema Sport für uns eine besondere Wirkung. Über den Sport, die Sportler und vor allem die Sportärzte erreichen wir eine für uns höchst attraktive Community.
SPONSORs: Das trifft sicher im Besonderen auf Ihr Testimonial Dirk Nowitzki zu, der Bauerfeind vor allem bei der Internationalisierungsstrategie helfen dürfte.
Berthan: Dirk Nowitzki passt nicht nur von seiner Persönlichkeit, sondern von seinem gesamten Wirken sehr gut zu Bauerfeind. Und in der Tat: In den USA ist Dirk eine Legende und wahrscheinlich einer der bekanntesten Deutschen. Er hat ein außerordentlich positives Image. Auch für den chinesischen Markt ist er für uns extrem wichtig. In Deutschland hat Basketball nicht den Stellenwert von Fußball, aber Dirk strahlt hier trotzdem mindestens so hell wie viele prominente Fußball-Stars.
SPONSORs: Wie aktivieren Sie die Partnerschaft mit Dirk Nowitzki?
Berthan: Wir müssen unterscheiden zwischen der Zeit, in der Dirk noch aktiver Sportler war, und der Zeit nach seinem Rücktritt. Als Aktiver hat er zu einem erheblichen Teil als typisches Testimonial für uns gearbeitet. Inzwischen haben wir gemeinsam ein neues Paket entwickelt, das sehr stark auf Sportmedizin und Prävention ausgerichtet ist.
SPONSORs: Wie kann er sich dabei einbringen?
Berthan: Wir sind noch in der Vorbereitungsphase, aber Bauerfeind ist ja traditionell sehr präsent auf Ärzte-Veranstaltungen. Dirk Nowitzki wird hier künftig eine sehr wichtige und aktive Rolle spielen. Er wird dabei eine Rolle wahrnehmen, in der man ihn bisher nicht kennt. Ich freue mich auf diese inhaltliche Ausweitung unserer Partnerschaft. Klar ist: Es geht uns primär nicht darum, dass Dirk für uns Bandagen verkauft, sondern wir profitieren vor allem in der Kommunikation und Produktgestaltung.
SPONSORs: Bauerfeind ist seit 2002 durchgehend bei Olympischen Spielen präsent, viele Jahre als Partner der deutschen Olympioniken. Inzwischen statten Sie das nationale OK der Gastgebernationen mit Produkten aus. Wie nutzen Sie die Olympischen Spiele kommunikativ?
Berthan: Wir sind seit 2010 Partner des jeweiligen nationalen Organisationskomitees und stellen im Zuge dessen auch einen Teil des Personals im olympischen Dorf, das die Athleten aller Länder betreut und versorgt. Ab und zu ist auch ein Funktionär dabei, der sich den Fuß verstaucht hat. Bezüglich einer offensiven Kommunikation mit den Spielen sind wir sehr zurückhaltend – aus gutem Grund. Um ein offizielles Sponsoring zu erwerben, müssten wir einen höheren achtstelligen Euro-Betrag ausgeben. Unsere Rolle ist aber ohnehin eine andere.
SPONSORs: Inwiefern?
Berthan: Mit den lokalen Organisationskomitees haben wir stets individuelle Verträge geschlossen, durch die die Betreuung aller Athleten mithilfe unserer Produkte gewährleistet ist. Wir sind dabei mit einem guten Dutzend unserer Mitarbeiter aus der ganzen Welt vor Ort. Die tun ihr Bestes, um die Sportler bei jeden Olympischen Spielen mit Know-how zu unterstützen. In kurzer Zeit können wir hier sehr intensive Kontakte mit Athleten aus aller Welt knüpfen und lernen viel über deren Wünsche und Anforderungen an unsere Produkte. Auf der anderen Seite haben wir einen Zugang zu wichtigen Sportmedizinern der Welt.
SPONSORs: Wie profitieren Sie davon?
Berthan: Wir haben immer ein eigenes medizinisches Beratergremium vor Ort und es findet ein hochklassiger Austausch mit Medizinern aus vielen Ländern statt. Normalerweise ist unser Olympia-Engagement auch immer flankiert von einer Reihe von Veranstaltungen, die lokale Händler oder Tochtergesellschaften einbinden. Bedauerlicherweise war solch ein Side-Event mit Sportärzten aus aller Welt in Tokio aufgrund der Corona-Bedingungen diesmal nicht möglich.
SPONSORs: Die Kunden von Bauerfeind sind sowohl Patienten als auch aktive Sportler. Geht es heute mehr denn je um Leistungsförderung und Verletzungsvorbeugung?
Berthan: Verschiedene Themen zahlen auf diese Entwicklung ein: Die Leute werden älter, vielfach auch etwas schwerer und sind trotzdem weiter recht aktiv. Sie wollen deshalb Hilfsmittel, die dafür sorgen, dass sie ihre Beweglichkeit erhalten – ob beim Sport oder bei der Arbeit. Das sind zunächst günstige Rahmenbedingungen für die Weiterentwicklung unseres Geschäfts. Trotzdem gibt es noch eine ganze Menge zu tun, etwa in Bezug auf den Sportfachhandel in Deutschland.
SPONSORs: Sie sind auch Partner diverser Clubs von Schalke 04 im Fußball über Alba Berlin im Basketball bis zum THW Kiel im Handball. Zielt das auch in Richtung Sportfachhandel?
Berthan: Wir unterstützen diese Traditionsclubs mit klaren wirtschaftlichen Absichten. Wir wollen aber mit den Profis auf Tuchfühlung bleiben. Auch die Hahner Twins – Anna und Lisa – will ich in diesem Zusammenhang nennen, die unsere Produkte intensiv nutzen und über ihre große Community in der Laufszene in Szene setzen. Durch die Zusammenarbeit mit der Deutschen Sporthilfe ermöglichen wir es zudem vielen Athleten, fachgerecht versorgt zu werden, und wir haben eine sehr große Flächen- und Breitenwirkung.
SPONSORs: Wie messen Sie den Erfolg Ihres Sponsorings?
Berthan: Wir sind davon überzeugt, dass unser Engagement im Sport einen positiven Einfluss auf unsere Geschäftsentwicklung hat. Aber es ist schwer, einen engen Sachzusammenhang zwischen Sportsponsoring und direkten Umsatzeffekten zu messen.
SPONSORs: Nach SPONSORs-Informationen investiert Bauerfeind kumuliert einen mittleren siebenstelligen Euro-Betrag pro Jahr in den Sport. Könnten weitere Partnerschaften hinzukommen oder sind Sie mit dem aktuellen Portfolio zufrieden?
Berthan: Es gibt einige Elemente, die würde ich als ziemlich fix betrachten. Auch hier gibt es eine große Kontinuität. Wir fragen uns aber auch regelmäßig: Für welche Märkte sind welche Sportarten und Schlüsselpersonen interessant und passen die zu uns? Wir haben eine gewisse Offenheit für neue Engagements. Aber die müssen in unsere strategischen Überlegungen passen.
SPONSORs: Welche Sportarten sind dabei besonders interessant?
Berthan: Natürlich solche, die in Ländern eine Rolle spielen, in denen wir eine besondere Zukunft sehen. Nehmen Sie etwa das Thema Badminton in Asien. Wenn Sie nach Indien gehen, wird da in erster Linie Cricket gespielt. Wenn Sie nach Australien schauen, steht wiederum Rugby im Fokus. Oder: In den USA ist der Frauenfußball ein echtes Wachstumsthema. Wenn man so global unterwegs ist wie wir, darf man nicht nur auf den Heimmarkt gucken.
SPONSORs: Herr Berthan, vielen Dank für das Gespräch.
Titelfoto: Bauerfeind