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05. Sep. 2019

Bundesliga-Medienrechte: Von Sky, Dazn, Amazon & Co. 

Sven Schmidt, Experte für Venture Capital, Analyst und Unternehmer, wirft im Gespräch mit SPONSORs einen kritischen Blick auf die anstehende Medienrechtevergabe der Bundesliga und rechnet vor, warum er nicht daran glaubt, dass die Einnahmen in diesem Bereich weiter steigen werden. Hat er recht?

SPONSORs: Herr Schmidt, vor wenigen Wochen hat Dazn die Übertragungsrechte für die Freitags- und die Montagsspiele der Fußball-Bundesliga von Eurosport erworben. Wie ordnen Sie diesen Weiterverkauf vom einen zum nächsten Sender ein?

Schmidt: Ich sehe die Zukunft der Bundesliga schon länger sehr skeptisch, insbesondere im Vergleich zur englischen Premier League. Primär liegt das daran, dass in einer Plattformökonomie durch die Netzwerkeffekte meistens nur einer gewinnt und das wird die Premier League sein. Der Deal zwischen Discovery (Eurosport) und Dazn bestätigt das erneut. Denn damit wurde Folgendes aufgezeigt: Eurosport hat versucht, die erworbenen DFL-Rechte über ein eigenes Pay-TV-Angebot – seinen Eurosport Player – zu refinanzieren. Offensichtlich hat man nicht genügend Abonnenten erreicht. Deshalb hat Eurosport die Rechte jetzt an Dazn verkauft, um weitere Verluste abzuwenden.

SPONSORs: Aus Sicht der Deutschen Fußball Liga (DFL) ließe sich anführen, dass neben Sky auf dem deutschen Pay-TV-Markt endlich ein zweiter, starker Player entsteht. Davon hat die Bundesliga doch jahrelang geträumt.

Schmidt: Zwei Player ja, stark nein. Der Gesellschafter des einen – denn Sky gehört jetzt Comcast – hinterfragt gerade die Sportstrategie und der andere, Dazn, kann es sich schlichtweg nicht leisten, um die großen Rechte mitzubieten. Für Comcast scheint es sinnvoller zu sein, eigene Serien zu produzieren und diese global über die eigenen Kanäle zu distribuieren. Dazn macht in Deutschland bei sehr großzügig angenommenen zwei Millionen Abonnenten 240 Millionen Euro pro Jahr – woher soll die Milliarde für die Bundesliga-Rechte kommen? Daher sind die Aussichten für die anstehende DFL-Rechteausschreibung nicht positiv.

SPONSORs: Warum gehen Sie mit der Bundesliga so hart ins Gericht? Die Stadien sind gut gefüllt, die Quoten auf hohem Niveau stabil und die Einnahmen steigen bisher von Jahr zu Jahr.

Schmidt: Ich muss wieder auf die Netzwerkeffekte zurückkommen. Diese Effekte – platt gesagt führen mehr TV-Einnahmen zu mehr Stars und mehr sportlichem Erfolg und dies wiederum führt zu mehr TV-Einnahmen – begründen, dass sich eine Plattform beziehungsweise eine Liga durchsetzt, die dann wiederum den Großteil des verfügbaren Umsatzes beziehungsweise Gewinns abschöpft. Beim Basketball beispielsweise ist diese Entwicklung bereits abgeschlossen, wie man an der globalen Dominanz der National Basketball Association (NBA) erkennen kann. Für mich ist die Premier League die NBA des Fußballs.

Sven Schmidt (45) ist geschäftsführender Gesellschafter der Hamburger Firma ICS, die in internetbasierte Geschäftsmodelle investiert oder entsprechende Firmen aufbaut. Zuvor war der 45-Jährige unter anderem für den weltweit führenden Risikokapitalgeber Accel Partners sowie für McKinsey & Company tätig. Darüber hinaus ist Schmidt geschäftsführender Gesellschafter der Machineseeker Group für die Bereiche Marketing und Vertrieb der Marken Maschinensucher.de, Machineseeker.com und TruckScout24 verantwortlich. Das Unternehmen wirbt seit dieser Spielzeit breitflächig in der 2. Fussballbundesliga und hat Sponsoring-Partnerschaften mit gleich acht Clubs geschlossen.

SPONSORs: Woran machen Sie fest, dass die englische Fußballliga diesen Status hat?

Schmidt: Dass die Premier League einen klaren Vorsprung gegenüber allen anderen Ligen hat, dürfte in der Zwischenzeit jedem Fußballinteressierten transparent sein. Die mit Abstand höchsten TV-Einnahmen, in der Breite die meisten Stars, die besten Trainer und vier englische Clubs in den europäischen Endspielen sprechen eine klare Sprache. In vielen Ländern erlöst die Premier League in der Zwischenzeit mehr TV-Einnahmen als die lokale Liga. Diese Datenpunkte widerlegen die These, dass Fans dauerhaft die einheimische Liga präferieren. Die andere Frage ist, wie die Premier League dahin gekommen ist, wo sie jetzt ist. Die Premier League hat durch die große Verbreitung der englischen Sprache und historisch durch das Commonwealth einen strategischen Vorteil. Aber dazu kommt vor allem eine bessere Exekution. Die Bundesliga hat zu lange an veralteten Strukturen festgehalten. Jetzt spielt es übrigens kaum mehr eine Rolle, ob zum Beispiel die 50+1-Regel fällt. Es bräuchte einen zweistelligen Milliardenbetrag, um den Rückstand aufzuholen.

SPONSORs: An welchen Kenngrößen können Sie konkret ablesen, dass mehr Stars zu mehr Einnahmen führen?

Schmidt: Aus der Beobachtung der Mediennutzung wissen wir, dass vor allem junge Menschen in erster Linie Stars folgen und nicht mehr unbedingt einem Club oder einer Liga allein. Dort, wo das Interesse ist beziehungsweise die Zuschauer sind, kann man mehr für Sponsoring- sowie TV-Rechte erlösen. Basketballinteressierte Jugendliche kennen heute jeden NBA-Star, aber keiner kennt die Starting Five von Alba Berlin. Je mehr ein Star selbst über Werbeeinnahmen erlöst, desto wichtiger ist für ihn – unabhängig vom Gehalt – die Reichweite der Plattform beziehungsweise der Liga beziehungsweise des Vereins, in dem er spielt. Welcher Weltstar will denn für Bayer 04 Leverkusen spielen?

SPONSORs: Der deutsche Fußball liegt in Deutschland aber immer noch weit vor der Premier League. Für die Rechte an der Premier League bezahlt Sky in dieser Saison kolportierte 25 Millionen Euro. Demnach sind dem Sender die Rechte an der Bundesliga dreißig- bis vierzigmal so viel wert.

Schmidt: Das ist zutreffend. Ich würde sagen: Die Premier-League-Rechte in Deutschland waren zu günstig, die Bundesliga-Rechte zu teuer. Aber relevant ist die Entwicklung beziehungsweise die Zukunft von Einnahmeströmen. Es gibt für die Liga generell vier Einnahmequellen: Medienrechte, Werbeeinnahmen, Spieltagserlöse und Merchandising. Die Stadien sind in Deutschland voll und die Sponsoringrechte sind sehr gut verkauft. Es ist daher die große Hoffnung, weiteres Wachstum in erster Linie über Medienrechte zu schaffen. Ich bezweifle, dass das bei der aktuellen Marktlage funktionieren wird.

SPONSORs: Könnten die GAFA-Unternehmen, also Google, Amazon, Facebook und Apple, Interesse an den Bundesliga-Rechten haben?

Schmidt: Die letzte Rechtevergabe hat für mich gezeigt, dass solche Unternehmen, wenn überhaupt, Interesse an globalen, gut vermarktbaren Rechten haben. Das liefert die Bundesliga nicht. Und Unternehmen wie etwa Amazon geben nur wenig Geld für lokale Rechte aus. Die investieren lieber in Serien statt in Sportrechte, denn die Serien können sie global über Amazon Prime ausspielen. Das Unternehmen ermittelt sehr genau, wie viele zusätzliche Abonennten durch ein neu gekauftes Recht entwickelt werden und welchen Umsatz diese Kunden durch Bestellungen dann wiederum erzeugen. Wenn überhaupt, kauft Amazon kleine Rechte und schaut dann, wie groß der wirtschaftliche Erfolg ist. Dieser Wunsch, dass GAFA für einen Sprung im Wert der Bundesliga-Rechte sorgt, wird nicht erfüllt werden.

SPONSORs: Lassen Sie uns noch mal über die aktuelle Situation mit Sky und Dazn sprechen. Denken Sie, dass Dazn ein ernsthafter Konkurrent für Sky werden kann?

Schmidt: Da bin ich – wie skizziert – mit Blick auf die Zahlen von Dazn sehr skeptisch. Mit 240 Millionen Euro Umsatz im Jahr kann Dazn nach meiner Rechnung – wenn überhaupt – die Champions-League-Rechte, die Eurosport-Rechte und noch ein, zwei weitere Rechte finanzieren. Die Kosten für die Abonnenten-Gewinnung habe ich dabei sogar noch ignoriert.

SPONSORs: Diese Argumentation setzt zwei Dinge voraus: erstens, dass Dazn als junges Unternehmen nicht bereit ist, temporär auch Defizite in Kauf zu nehmen, und zweitens, dass die Abonnentenzahl von Dazn nicht deutlich steigen kann. Beide Annahmen könnten falsch sein.

Schmidt: Sicherlich wird Dazn seine Abonnentenzahl weiter steigern. Aber damit aus Dazn ein „starker“ Player wird, sind zehn und mehr Millionen Abonnenten notwendig. Das ist sogar im besten Fall ein sehr, sehr langer Weg. Sky ist an dem Weg in Deutschland gescheitert. Selbst wenn man optimistisch von drei Millionen Abonnenten im kommenden Jahr ausgeht, macht das 360 Millionen Euro Umsatz. Das würde Dazn nicht erlauben, im größeren Stil große Rechtepakete zu erwerben. Rechnen Sie mal mit: Die nationalen Medieneinnahmen der Bundesliga liegen derzeit durchschnittlich bei 1,16 Milliarden Euro pro Saison. Davon zahlt Sky als Nutzer des größten Rechtepakets rund 870 Millionen Euro, also 80 Prozent. Selbst wenn die Rechtepreise nicht steigen sollten, müsste Dazn bereit sein, in dieser Größenordnung zu investieren. Das Unternehmen bräuchte dann rund acht Millionen zusätzliche Kunden, um allein die Rechtekosten zu decken – ohne die Berücksichtigung von Produktionskosten, Personal und Vertrieb.

SPONSORs: Und warum sollte Dazn nicht eine Zeit lang defizitär agieren wollen? Bei stark wachsenden, digitalen Unternehmen ist das durchaus keine Seltenheit, wie man bei Uber und Tesla sehen kann.

Schmidt: Die Rechteperiode ist meines Wissens vier Jahre. Da bräuchte Dazn in Summe über 2,5 Milliarden Euro nur für Deutschland, um Defizite zu decken. Das finanziert niemand – denn im Gegensatz zu Uber wäre Dazn Deutschland dann immer noch von Rechteinhabern abhängig.

SPONSORs: Lassen Sie uns eine andere These verfolgen: Wer sagt, dass Dazn nicht auch 10 bis 15 Millionen Abonnenten erreichen könnte? Das Angebot von Dazn ist zum einen deutlich billiger und zum anderen deutlich leichter nutzbar, als das bei klassischen Pay-TV-Anbietern bisher der Fall war. Gleichzeitig gibt es über 30 Millionen Fußballfans in Deutschland. Warum sollte das Potenzial von Dazn also nicht jenseits der Grenze von zehn Millionen Abonnenten liegen?

Schmidt: Ich finde die bisherigen Inhalte von Dazn zu einem monatlichen Preis von 9,99 Euro beziehungsweise jetzt 11,99 Euro und die Kündigungsfrist von einem Monat ein sehr gutes Angebot. In der vergangenen Saison hatte Dazn exklusive Champions-League-Rechte, die Premier League und weitere internationale Highlights wie den spanischen Clásico. Auch die Medienpräsenz von Dazn war sehr stark in den vergangenen Monaten. Trotz dieses günstigen und gleichzeitig guten Produkts konnten bislang nur maximal zwei Millionen Abonnenten gewonnen werden. Das lässt mich daran zweifeln, wie man nun zehn Millionen Abonnenten oder sogar mehr erreichen soll.

SPONSORs: Exklusive Bundesliga-Rechte würden wahrscheinlich ein deutlich höheres Interesse in Deutschland auslösen und mehr Abonnenten als jetzt bringen.

Schmidt: Ich glaube nicht, dass die Bundesliga den Unterschied zwischen zwei und zehn Millionen Abonnenten machen kann. Dann hätte Eurosport über die Freitagsspiele seine Abonnentenzahl deutlich steigern können beziehungsweise müssen. Daher glaube ich nicht, dass Dazn ein ernsthafter Bieter gegen Sky ist. Meines Erachtens wird Sky der einzige Bieter für die großen Bundesliga-Pakete sein. Sky und Dazn haben in Bezug auf die Champions-League-Rechte bereits kooperiert. Die werden sich nicht gegenseitig an die Wand bieten.

SPONSORs: Gleichzeitig dürfte eine Kooperation zwischen Dazn und Sky für beide ein sehr, um nicht zu sagen, ein zu gewagtes Spiel sein. Keiner kann es sich erlauben, auf die Bundesliga-Rechte zu verzichten. Dazn wäre seine Wachstumsstory los und Sky müsste sich vorrangig auf das Angebot von Filmen und Serien konzentrieren. Vor dem Hintergrund, dass neben Netflix und Amazon auch neue Konkurrenz mit Apple und Disney in diesen Markt drängt, würde sich damit Sky in ein hoch umkämpftes, finanzstarkes Umfeld begeben. Dann vielleicht doch lieber auf die Bundesliga setzen?

Schmidt: Comcast gehört neben Sky auch NBC Universal. Die sind im globalen Wettkampf mit Netflix, Amazon, Disney und Apple gut aufgestellt. Aber wird Sky die Bundesliga-Rechte verlieren? Nein. Werden Sie mehr dafür bezahlen? Nein, weil es keinen anderen ernsthaften Bieter gibt.

SPONSORs: Herr Schmidt, vielen Dank für das Gespräch.

Foto: Imago Images / Uwe Kraft

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