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03. Juni 2024

Das Nachhaltigkeitskonzept der UEFA EURO 2024: Millionenregen für den deutschen Sport

Die nachhaltigste EURO aller Zeiten? SPOBIS beleuchtet die Nachhaltigkeitsstrategie zur Heim-EM und liefert letzte Insights vor dem Anpfiff.

Seit 2018 feilt der Deutsche Fußball-Bund (DFB) an einem umfassenden Nachhaltigkeitskonzept für die anstehende UEFA EURO im eigenen Land. Zusammen mit dem Öko-Institut erarbeiteten die Verantwortlichen des DFB im Rahmen der Bewerbungsphase für die Austragung des Turniers ein rund 70-seitiges Dokument, welches neben allgemeinen Herangehensweisen auch die Nachhaltigkeitsansätze der potenziellen Host Cities beleuchtete. Nach SPOBIS-Informationen soll dieses Dokument entscheidend dazu beigetragen haben, dass die EM nach Deutschland vergeben wurde.

In den letzten Jahren folgten weitere Überarbeitungen dieser Strategie, deren finaler Maßnahmenkatalog in der ESG-Strategie vom Juli 2023 verschriftlicht wurde. Darin wurden innerhalb der drei Nachhaltigkeitssäulen Ökologie, Soziales und Ökonomie elf konkrete Handlungsfelder mit rund 50 Zielformulierungen und mehr als 80 KPIs definiert.


  • Finanzielles Engagement wächst: Das offizielle Nachhaltigkeitskonzept der UEFA EURO 2024 umfasst ein Gesamtinvestment von 32 Millionen Euro. Zusätzlich investieren die Host Cities weitere Millionen für lokale Nachhaltigkeitsprojekte und Kulturprogramme.

  • Umfassender Maßnahmenkatalog: Die finale ESG-Strategie vom Juli 2023 definiert elf konkrete Handlungsfelder mit rund 50 Zielformulierungen und mehr als 80 KPIs, um die Nachhaltigkeitsziele in den Bereichen Ökologie, Soziales und Ökonomie zu erreichen.

  • Klimafonds unterstützt Amateurvereine: Speziell für das Turnier hat die UEFA einen Klimafonds eingerichtet, der ca. sieben Millionen Euro an deutsche Landesverbände und Amateurvereine ausschüttet. Bis zum 15. April wurden über 4300 Bewerbungen eingereicht und rund 160 Projekte gefördert.

  • Soziale Aspekte verstärkt berücksichtigt: Die UEFA EURO 2024 legt großen Wert auf soziale Nachhaltigkeitsaspekte. Dazu trägt neben der veröffentlichten Menschenrechtserklärung auch die Bandbreite an barrierefreien und psychologischen Angeboten bei.

  • Umfangreiches Mobilitätskonzept: Zur drastischen Reduktion von CO₂-Emissionen im Rahmen des Turniers, hat die UEFA ein umfangreiches Mobilitätskonzept aufgesetzt. Stadionbesucher profitieren im deutschen Nah- und Fern-Verkehr sowie bei Interrail-Reisen von erheblichen Einsparungen.


Welchen Stellenwert das über mehrere Jahre entwickelte Nachhaltigkeitskonzept einnimmt, verdeutlicht auch das finanzielle Investment in die zugehörigen Maßnahmen: 32 Millionen Euro fließen insgesamt in das Nachhaltigkeitskonzept, für dessen Umsetzung seit 2019 das Joint Venture aus DFB und UEFA (EURO 2024 GmbH) verantwortlich ist. 

Klimafonds der UEFA schüttet mehrere Millionen an Amateurvereine aus 

Ein beachtlicher Anteil fällt dabei auf den Klimafonds, den die UEFA speziell für das Turnier aufsetzte: Nach SPOBIS-Informationen wurden 2,1 Millionen Euro an die deutschen Landesverbände sowie 4,9 Millionen Euro an ausgewählte Nachhaltigkeitsprojekte deutscher Amateurvereine ausgeschüttet. Bis zum 15. April erreichten die EURO 2024 GmbH mehr als 4300 Bewerbungen für die Förderung von unterschiedlichsten Nachhaltigkeitsprojekten. Bis zur dritten und letzten Finanzierungsrunde erhielten etwa 160 Amateurvereine einen Zuschlag für ihr Projekt. Die letzten Gelder in Höhe von rund 800.000 Euro verteilt das zuständige Supervisory Committee in ihrer letzten Sitzung am 1. Juli 2024.

Andreas Schär, Geschäftsführer der EURO 2024 GmbH, konstatiert: „Wir sind uns sicher, dass wir mit den Nachhaltigkeitsmaßnahmen einen langfristigen Mehrwert geschaffen haben. Das trifft besonders auf infrastrukturelle Anpassungen in den Stadien sowie auf die geförderten Projekte im Rahmen des Klimafonds zu.“ 

Soziale Komponente verstärkt berücksichtigt 

Neben den breit aufgestellten Nachhaltigkeitsabteilungen des DFB und der UEFA, die langfristig an der Weiterentwicklung der Basisstrategien für nachhaltige Sportveranstaltungen arbeiten, gewährleisten speziell für die UEFA EURO eingestellte Nachhaltigkeitsmanager die Umsetzung der vor Ort durchzuführenden Maßnahmen.

Dazu gehört auch die Einarbeitung von standortspezifischen Venue-Managern, die unter anderem eine problemfreie Nutzung von Services in den Bereichen Barrierefreiheit, Erste Hilfe und psychologische Betreuung gewährleisten.

Bundesinnenministerin und Sportministerin Nancy Faeser: „Mit der heutigen Menschenrechtserklärung setzen wir neue Maßstäbe.“ (Foto: picture alliance/dpa | Hannes P Albert)

Bundesinnenministerin und Sportministerin Nancy Faeser: „Mit der heutigen Menschenrechtserklärung setzen wir neue Maßstäbe.“ (Foto: picture alliance/dpa | Hannes P Albert)

Dass dem Bereich der sozialen Nachhaltigkeit für das anstehende Turnier eine große Bedeutung beigemessen wird, zeigt sich zudem in der umfangreichen Menschenrechtserklärung, die gemeinsam von allen organisatorisch beteiligten Parteien der UEFA EURO 2024 im November 2023 verabschiedet wurde. Diese enthält unter anderem einen überarbeiteten Beschwerdemechanismus, der beispielsweise im Umgang mit Missbrauchs- und Diskriminierungsvorfällen zum Einsatz kommen soll. 

Ökologische Säule als zentraler Wirkungsbereich 

Obwohl die soziale Säule bei der aktuellen Variante des Nachhaltigkeitskonzepts mit diversen Kriterien und Richtlinien belegt wird, stellt die ökologische Säule aufwandsseitig den größten Wirkungsbereich dar. Das ergibt sich nicht nur aus den damit verbundenen infrastrukturellen Maßnahmen sowie dem aufgesetzten Klimafonds, sondern auch aus der berücksichtigten Machbarkeitsstudie des Öko-Instituts.

In der 67-seitigen Studie, die im Juli 2022 veröffentlicht wurde, geht es in erster Linie um ökologische Nachhaltigkeitskriterien, die auf eine weiträumige Vermeidung von CO2-Emissionen und konkrete Kompensationsmaßnahmen eingehen. Bei der Untersuchung des Öko-Instituts stelle sich heraus: Selbst, wenn wir von Juni bis Juli 2024 die nachhaltigste Fußball-Europameisterschaft aller Zeiten erleben, ist eine klimaneutrale Austragung eines solchen Großevents zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich. Dabei spielen vielfältige Faktoren eine Rolle, zu denen unter anderem unvermeidbare Emissionen in den Bereichen Verkehr und Stromerzeugung zählen.

Vielmehr gehe es laut Studie im Verlauf des Turniers darum, mit „Klimaverantwortung“ zu überzeugen und einen weiteren wichtigen Schritt in Richtung einer langfristig angestrebten Klimaneutralität zu gehen. Schär verdeutlicht im Gespräch mit SPOBIS: „Hauptziel ist es, den Einfluss auf die natürliche Umwelt zu reduzieren.“ 

Host Cities ergreifen kreative Maßnahmen 

Für die Reduktion der Treibhausgase spielen auch die Nachhaltigkeitsverantwortlichen der Host Cities eine wichtige Rolle. Schließlich wird ein Großteil der Emissionen über die Verkehrsmittel und Fan-Zonen vor Ort ausgestoßen – Bereiche, auf die der Turnierveranstalter wenig, bis keinen Einfluss hat.

Dass hier teilweise Kreativität der städtischen Mitarbeiter gefragt ist, zeigt eine turnierspezifische Nachhaltigkeitsmaßnahme der Stadt Dortmund: Aufgrund der limitierten Kapazität des ÖPNV, legt die Stadt einen grünen Teppich von der Innenstadt bis zum Stadion aus, um die Zuschauer von einem längeren Fußmarsch zu überzeugen. Trotz derartiger Maßnahmen ist laut Prognosen davon auszugehen, dass die bewusste Limitierung von PKW-Parkplätzen in einigen Städten zur Überlastung des öffentlichen Nahverkehrs führen wird.

ÖPNV statt Auto: Der öffentliche Nahverkehr spielt im Nachhaltigkeitskonzept der UEFA EURO 2024 eine große Rolle. (Foto: picture alliance/dpa | Andreas Gora)

ÖPNV statt Auto: Der öffentliche Nahverkehr spielt im Nachhaltigkeitskonzept der UEFA EURO 2024 eine große Rolle. (Foto: picture alliance/dpa | Andreas Gora)

Die Host Cities haben speziell für die EURO ein eigenes Nachhaltigkeitsleitbild entwickelt. Dabei sticht die Hauptstadt Berlin heraus, die ihr individuelles Leitbild bereits zwei Jahre vor Turnierstart online zum Download bereitstellte. Nach SPOBIS-Informationen sollen von Seiten des Landes Berlin bis zu vier Millionen Euro in das entwickelte Nachhaltigkeitsprogramm fließen, welches von Anfang an die aktive Einbindung von lokalen Vereinen und Organisationen in den Vordergrund rückte. Dadurch sollen nicht nur nachhaltige und innovative Projekte gefördert werden, sondern auch ein breites Kulturprogramm auf die Beine gestellt werden. 

Mobilitätskonzept lockt Fans mit günstigen Tickets 

Eine wichtige überregionale Nachhaltigkeitsmaßnahme bezieht sich auf die Turnierangebote für den nationalen Fern- und Nahverkehr sowie Interrail-Reisen.

Besitzer von Eintrittskarten für die EURO-Spiele haben in diesem Zusammenhang größere Einsparungen durch die Deutsche Bahn zu erwarten. Als nationale Partnerin des Turniers hat der bundeseigene Mobilitäts- und Transport-Konzern dafür Anpassungen auf nationaler und internationaler Ebene vorgenommen. Konkret heißt das: Für Stadiongäste kostet jede Bahnreise im nationalen Fernverkehr maximal 29,99 Euro. Darüber hinaus zahlen Fans mit Wohnsitz im Ausland maximal 312 Euro für den teuersten Interrail-Pass mit einer Laufzeit von 15 Reisetagen.

Zusätzlich ist die Nutzung des ÖPNV am Spieltag (ab sechs Uhr morgens) und Folgetag (bis 18 Uhr) kostenfrei. Für letzteres Angebot hat die UEFA im Oktober 2023 eine kostspielige Vereinbarung mit dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) geschlossen, die mit einem hohen Kostenanteil in die Nachhaltigkeitsausgaben für die Heim-EM eingepreist wird.  

Evaluationsstudie misst Nachhaltigkeitserfolge

Aufgrund der Tragweite des stetig weiterentwickelten Nachhaltigkeitskonzepts überrascht es nicht, dass auch die Evaluation der umgesetzten Maßnahmen beim anstehenden Turnier einen großen Stellenwert einnimmt.

Den Zuschlag für die Umsetzung der vom Bundesinnenministerium des Innern und für Heimat (BMI) ausgeschriebenen Studie erhielt eine Projektgruppe um Prof. Dr. Pamela Wicker von der Universität Bielefeld und Prof. Dr. Christoph Breuer von der Deutschen Sporthochschule Köln. Die Studie soll die Nachhaltigkeitsmaßnahmen der ESG-Strategie von Juli 2023 ganzheitlich überprüfen und legt den Fokus neben einer parteiübergreifenden Datenerfassung auch auf die Durchführung von standortspezifischen Stakeholder-Befragungen. 

DEKRA bilanziert ökologischen Impact 

Eine wichtige Rolle nimmt dabei die Prüfgesellschaft DEKRA ein, die von der Universität Bielefeld den Zuschlag für die Ex-post-Klimastudie zur UEFA EURO 2024 sowie zur Evaluation des ökologischen Impacts in den zehn Austragungsorten erhielt. Als Auditor für die Lizenzierungskriterien der Deutschen Fußball Liga (DFL) sowie Berater zahlreicher (Sport-)Organisationen im Bereich Nachhaltigkeit kann die DEKRA-Abteilung „Sport & Events“ nun auch auf internationaler Sportebene einen ökologischen Impact leisten.

Dabei lehnt sich die deutsche Prüfgesellschaft wie die EURO 2024 GmbH methodisch an die Machbarkeitsstudie des Öko-Instituts an. Entsprechend werden die dort formulierten Annahmen von der DEKRA in reale Daten übersetzt. Im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen bei der durchgeführten Klimastudie die quantitative Abfrage von ökologischen Verbrauchswerten. Darüber hinaus werden aber auch Aspekte wie Lärmschutz und Zirkularität bewertet. Zweiteres betrifft beispielsweise die Untersuchung von Rückbaumaßnahmen im Bereich der Fan-Zonen (betrifft u. a. Bühnen, Leinwände, Info-Points und Catering).

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Simon Fink, Projektverantwortlicher der DEKRA für die Durchführung der Klimastudie, ist sich sicher: „Mit unseren DEKRA Expertinnen und -experten schaffen wir einen unabhängigen und objektiven Blick auf die UEFA EURO 2024 und werden wichtige Erkenntnisse zum ökologischen Fußabdruck künftiger Großereignisse gewinnen.“

Grundsätzlich ist für jeden Austragungsort eine ökologische Impact-Analyse vorgesehen, die im engen Austausch mit den städtischen Nachhaltigkeitsverantwortlichen durchgeführt wird. Die Fertigstellung der Klimastudie ist aktuell für Herbst 2024 geplant und soll eine vorläufige Aussage darüber treffen können, ob die ökologischen Ziele des Nachhaltigkeitskonzepts der UEFA EURO 2024 hinreichend erfüllt wurden.

ESG-Strategie soll „lückenlos“ abgedeckt werden

Dass die geplanten Nachhaltigkeitsmaßnahmen in der Fülle und Qualität den Zielsetzungen der ESG-Strategie vom Juli 2023 entsprechen, bleibt abzuwarten. Andreas Schär zeigt sich kurz vor dem Start der Heim-EM jedenfalls zuversichtlich: „Ob es am Ende klappt wissen wir erst am 14. Juni. Einige Maßnahmen sind final abgeschlossen, unser Anspruch ist es jedoch, dass alle Aktivitäten unserer ESG-Strategie lückenlos abgedeckt werden können.“

Titelfoto: picture alliance / SULUPRESS.DE | Marc Vorwerk/SULUPRESS.DE

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