SPOBIS: Herr Arbeit, in die Bundesliga aufzusteigen ist das eine, das andere ist, sich dort dann auch zu halten und als Organisation mitzuwachsen. Wie hat der 1. FC Union Berlin diese komplexe Aufgabe gelöst?
Arbeit: Unser großes Pfund ist unser Standort. Das betrifft nicht nur die Ausstrahlung der Stadt und das Zuschauerpotenzial, sondern auch das mediale Interesse und die Vermarktungsmöglichkeiten. Wir haben uns deshalb auch schon früh mit dem Ziel Bundesliga auseinandergesetzt. Das hatte zur Folge, dass wir die Weiterentwicklung unseres Vereins kontinuierlich vorangetrieben haben. Die so geschaffenen Voraussetzungen wiederum haben uns ermöglicht, den sportlichen Erfolg in wirtschaftlichen Erfolg umzumünzen.
SPOBIS: Wie hat das konkret ausgesehen?
Arbeit: Das hat viele Bereiche betroffen. Nehmen wir nur mal das Thema Merchandising. Wir haben dieses Recht zurück in den Verein geholt und wieder selbst verwertet. Es folgte ein Flagshipstore, der für einen Zweitligisten eigentlich überdimensioniert war. Der Bundesliga-Aufstieg hat uns als Organisation nicht überrascht, weil wir in vielen Bereichen auf diesen Schritt vorbereitet waren.
Ein alljährliches Highlight des Jahres der „Eisernen“: Das Weihnachtssingen im Stadion an der Alten Försterei. (Foto: picture alliance/dpa | Christophe Gateau)
SPOBIS: Herr Boysen, der 1. FC Union Berlin hat eine besondere Verbindung zu seinen Fans. Das hat sich nicht nur durch den Stadionumbau gezeigt, der ohne die Union-Anhänger nicht möglich gewesen wäre. Trotzdem hat auch ihr Verein das Ziel, die Erlöse weiter zu steigern. Wie gelingt Ihnen dieser Spagat, ohne die eigene DNA zu verlieren?
Boysen: Von einem Spagat zu sprechen würde vermuten lassen, dass Erlössteigerungen und die Bewahrung der eigenen Werte beziehungsweise die Berücksichtigung von Fan-Interessen in einem Widerspruch stehen. Das muss aus meiner Sicht nicht der Fall sein.
SPOBIS: Können Sie das konkretisieren?
Boysen: Unsere bewusste Entscheidung, das Stadionerlebnis nicht von A bis Z zu vermarkten, trägt auch dazu bei, dass ein Besuch an der Alten Försterei so besonders ist und vielen lange im Gedächtnis bleibt. Davon profitieren auch unsere Business-Partner in den Hospitality-Bereichen. Sie spiegeln mir, dass sie ihre Ticketkontingente völlig unabhängig vom jeweiligen Gegner leicht vergeben bekommen und selbst viele nicht fußballinteressierte Geschäftspartner Einladungen annehmen, um die Atmosphäre vor Ort hautnah erleben zu dürfen.
SPOBIS: Wie sieht es bei den Werbepartnern aus?
Boysen: Auch unsere Sponsoren, die im Stadion werblich in Erscheinung treten, teilen unsere Meinung, dass der Spieltag ein schützenswertes Ereignis ist. Hinzu kommt die berechtigte Frage danach, wie viele Werbemaßnahmen ein Spieltag letztlich verträgt. Die Zahl der Werbeformate und -botschaften bewusst zu begrenzen, führt zu einer besseren Wahrnehmung unserer Werbepartner und zugleich zu einer Stärkung von Union als Kommunikationsplattform, wodurch sich wiederum Mehrerlöse generieren lassen.
„Die Zahl der Werbeformate und -botschaften bewusst zu begrenzen, führt zu einer besseren Wahrnehmung unserer Werbepartner.“ (Foto: 1. FC Union Berlin)
SPOBIS: Das Stadion ist längst nicht mehr der einzige Ort, an dem werbetreibende Unternehmen ihr Sponsoring zeigen.
Boysen: Das stimmt. Die digitalen Rechte haben eine immer größere Bedeutung, da Sponsoren auch abseits der Spieltage in Kontakt mit ihrer Zielgruppe treten wollen. Wer unseren Social-Media-Kanälen folgt, wird feststellen, dass kommerzielle Botschaften einen festen Bestandteil darstellen. Wir achten jedoch stark darauf, dass die werblichen Inhalte unseren Fans einen Mehrwert bieten und im Einklang mit unserer Art der Kommunikation stehen. Oftmals übernehmen wir die gesamte Content-Produktion für unsere Sponsoren. Davon profitieren letztlich Fans und Sponsoren gleichermaßen.
SPOBIS: Ihr Club hat bereits in der 2. Bundesliga mehr als 450 Partner gehabt. Wo stehen Sie heute in der Vermarktung?
Boysen: Es ist richtig, dass sich bereits in der 2. Bundesliga sehr viele Unternehmen zu Union bekannt haben. Seit dem Aufstieg gilt es, diese langjährigen Sponsoren auf unserem rasanten Weg durch die Bundesliga mitzunehmen. Keiner soll sich – trotz veränderter Rahmenbedingungen – abgehängt fühlen. Gleichzeitig gilt es, die deutlich reichweitenstärkere Bühne „Bundesliga“ sowie die wachsende Bekanntheit und Beliebtheit von Union zu nutzen, um Unternehmen für uns zu begeistern, die mit Union nationale oder internationale Kommunikationsziele verfolgen.
SPOBIS: Wie zeigt sich das?
Boysen: Mit Blick zum Beispiel auf unsere aktuellen Trikotsponsoren haben wir diesen Weg bereits erfolgreich eingeschlagen. Auch die vorzeitige Verlängerung unserer Ausrüsterpartnerschaft mit Adidas zeigt, dass sich internationale Marken langfristig zu uns bekennen. Diesen Wandel zu einer national attraktiven Plattform weiter zu vollziehen und den langjährigen regionalen Sponsoren gleichzeitig eine Heimat zu bieten, sehe ich als eine der zentralen Aufgabe der Vermarktung in den kommenden Jahren.
SPOBIS: Der 1. FC Union Berlin hat seit dem Aufstieg in die Bundesliga nicht nur zahlreiche Partner, sondern auch Tausende Mitglieder hinzugewonnen. Wie hat sich parallel die Mitarbeiterzahl in Ihrem Verein entwickelt?
Arbeit: Wir sind inzwischen rund 350 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Union-Gruppe. Das klingt nach vergleichsweise viel, hängt aber damit zusammen, dass wir fast alles selbst machen. Es gibt beispielsweise unsere Stadion-Betriebsgesellschaft, die sich um Dinge wie die Stadiontechnik und das Greenkeeping kümmert. Unsere Veranstaltungsgesellschaft setzt im Jahr rund 250 große und kleine Events um, die in den Räumlichkeiten unseres Stadions stattfinden.
Boysen: Trotz der großen Anzahl an Mitarbeitern haben wir extrem kurze Entscheidungswege. Das gibt uns die Möglichkeit, schnell Entscheidungen zu treffen.
SPOBIS: Meine Herren, vielen Dank für das Gespräch.