Deutsche-Bank-Chef Sewing: „Die Offenheit, die die DFL zeigt, ist genau der richtige Weg“
Christian Sewing hat sich bei der Deutschen Bank vom Auszubildenden zum CEO hochgearbeitet. Im Interview spricht er über die Partnerschaft mit Eintracht Frankfurt, einen möglichen Einstieg von Investoren bei der DFL und die Auswirkungen der aktuellen Krisen auf die Volkswirtschaft und das Sportbusiness.
SPONSORs: Herr Sewing, Sie haben bei Ihrem Vater in der Fabrik am Fließband angefangen und Kartons gefaltet. Schon als junger Mensch sind Sie dann bei der Deutschen Bank ins Berufsleben gestartet, haben eine Ausbildung gemacht und sich kontinuierlich hochgearbeitet. Geduld, Ehrgeiz, Wille: Alles ist bei Ihnen zu spüren. Und trotzdem sind Sie Fan des FC Bayern München geworden. Warum machen Sie es sich an dieser Stelle so leicht?
Sewing: Vielleicht gerade deswegen. Wenn man so lange an der Spitze steht wie der FC Bayern, dann muss man genau diese Eigenschaften mitbringen. Aber es gibt einen weiteren Grund: Ich habe früher viel Tennis gespielt und komme ja aus Ostwestfalen. Die Bezirksmeisterschaften wurden immer in Lippstadt ausgetragen. Viele Preise wurden damals vom Sporthaus Rummenigge zur Verfügung gestellt, die Familie Rummenigge kommt ja aus Lippstadt. Als Kind hat man sich sehr damit identifiziert. Aus der damaligen Riege dort kenne ich einige, die Bayern-Fans geworden und geblieben sind.
SPONSORs: Die Deutsche Bank setzt trotzdem lieber auf Eintracht Frankfurt. Sie sind mitten in der Pandemie als großer Partner eingestiegen. Warum?
Sewing: Wir haben ja schon Eintracht Frankfurt gesponsert, bevor wir die Namensrechte übernommen haben. Nicht nur mit der Deutschen Bank, sondern auch mit DWS. Ich habe Eintracht Frankfurt – seitdem ich 2013 beruflich von London nach Frankfurt zurückgekehrt bin – Jahr für Jahr beobachtet. Die Art der langfristigen Planung, die Kontinuität, das Management, wie sie den Verein strukturiert und aufgebaut haben, hat mir enorm gut gefallen. Die Gespräche, die wir dann geführt haben, waren absolut zielführend. Ich habe gemerkt, dass das mehr ist als nur Sponsoring. Es ist eine echte Partnerschaft und uns verbindet wahnsinnig viel.
SPONSORs: Und dann kam Corona.
Sewing: Das war für uns ehrlicherweise eine Katastrophe. Wir übernehmen das Namensrecht am Stadion und spielen dann vor leerem Haus. Aber die Deutsche Bank steht zu dem, was sie gemacht hat. Wir haben gesagt, wir wollen hier lokaler Partner sein. Wir wussten, welche Strahlkraft Eintracht Frankfurt hat. Wir haben einen Siebenjahresvertrag und bleiben hoffentlich länger.
SPONSORs: Digitalisierung ist in der Partnerschaft ein großes Thema. Man kommt nicht unbedingt sofort darauf, warum sich eine Bank mit einem Fußballclub zusammentut, um dieses Thema voranzutreiben.
Sewing: Es geht darum, wie wir den größten Mehrwert für unsere Kunden gestalten können. Und natürlich ist es interessant zu sehen, wie in einem Stadion die Abläufe sind, wie zum Beispiel bezahlt wird. Wir haben ein gemeinsames Bezahlsystem mit Eintracht Frankfurt entwickelt, was wirklich sehr, sehr gut angenommen wird. Und übrigens nicht nur in der Fan-Gemeinschaft. Wir haben eine gemeinsame Plattform aufgebaut, bei der Sie nicht Kunde der Deutschen Bank sein müssen, um an diesem Bezahlverfahren teilzunehmen. Von diesen Erfahrungen profitieren wir sehr.
SPONSORs: Wovon noch?
Sewing: Natürlich macht das Eintracht-Engagement auch was mit der Marke Deutsche Bank. Als ich Vorstandsvorsitzender geworden bin, habe ich gesagt, diese Bank wird immer international bleiben. Das muss so sein bei der Struktur der deutschen Wirtschaft. Aber Deutschland ist unser Heimatplatz und den wollen wir mit dieser Partnerschaft stärken. Und dazu gehört ein funktionierendes Privatkundengeschäft. Wenn ich im Privatkundengeschäft gut sein will, dann muss ich einen Namen haben, und mit dem Namensrecht haben wir das noch einmal untermauert.
SPONSORs: Unterstreicht es Ihre Ambition, dass die Eintracht es jetzt auch geschafft hat, international so erfolgreich zu sein?
Sewing: Das ist natürlich einmalig und freut mich ungemein für die Eintracht und das Management, die einen fantastischen Job gemacht haben. Mir gefällt es auch, wie hier mit dem Erfolg umgegangen wird. Da hebt keiner ab, da wird ganz normal weitergearbeitet. Am meisten freut es mich aber für die Stadt Frankfurt, für die Region. Da ist eine große Euphorie. Wenn Sie dann Teil davon und dadurch ein bisschen näher dran sind, dann ist das die größte Freude, die wir uns alle geben konnten.
SPONSORs: Lassen Sie uns den Blickwinkel auf die gesamte Bundesliga weiten: Die DFL prüft gerade den Einstieg von Investoren. Die Deutsche Bank begleitet diesen Prozess. Halten Sie es aus Sicht der Bundesliga für ratsam, jetzt Investoren aufzunehmen?
Sewing: Zunächst einmal ist das natürlich eine Entscheidung des Managements. Wir sind sehr glücklich, dass wir den Prozess begleiten dürfen. Da mussten wir uns gegen starke Mitbewerber im In- und Ausland durchsetzen. Wir sind froh, dass wir das Vertrauen bekommen haben, und müssen jetzt liefern. Am Ende des Tages sind es auch die Clubs, die ein erhebliches Mitspracherecht und Entscheidungsrecht haben. Ich glaube, es ist richtig, sich über Wachstumsmöglichkeiten Gedanken zu machen, auch gerade im Hinblick darauf, was die internationale Konkurrenz macht.
SPONSORs: Andere Ligen sind diesen Schritt schon gegangen.
Sewing: Und wir als Deutsche Bank haben schon Erfahrung damit, wie sich zum Beispiel die spanische Liga und die englische Liga refinanziert haben. Diese Offenheit, die die DFL zeigt, ist genau der richtige Weg. Es ist einfach so, dass auch die Bundesliga wachsen muss. Nur so wird sie am Ende sicherstellen, dass sie in der Spitze in Europa ist. Es handelt sich um eine Industrie, die kompetitiv ist, und ohne Wachstum oder ohne Investition geht es nicht. Und Investitionen bedeuten immer, dass ich Kapital brauche.
SPONSORs: Können Sie noch einmal Ihre genaue Rolle in diesem Prozess beschreiben?
Sewing: Wir beraten die Liga bei der Investorensuche und begleiten den Prozess. Aber es ist nicht so, dass wir eine Entscheidung treffen, sondern wir sind lediglich die Verbindung als Bank zwischen dem Kapitalmarkt und der Liga. Es gibt Bereiche, wo genau das schon passiert ist, zum Beispiel bei anderen Ligen. Hier hat die Deutsche Bank geholfen und auch ein Mandat gehabt. Von daher können wir unsere Erfahrung einbringen. Aber ich würde jetzt kein Eigenkapital der Bank dafür nutzen, um in eine andere Industrie zu investieren. Wenn wir das machen würden, dann habe ich schnell einen Termin bei den Regulatoren. Richtigerweise.
SPONSORs: Zumal die Strukturen in der Sportindustrie zum Teil sehr speziell sind. Auf der einen Seite das Vereinswesen, auf der anderen Seite ein Milliarden-Business. Wie nehmen Sie diese Strukturen wahr? Können Sie sich vorstellen, einen Club zu leiten?
Sewing: Nein, ich habe genug mit der Deutschen Bank zu tun. Von daher ist das etwas, was ich mir nicht vorstellen kann. Die Governance-Frage oder die Strukturfrage, die man hat, ist sicher eine ganz andere. Ich weiß aus einzelnen Gesprächen, dass es schon schwierig ist, in dieser Vereinsstruktur Entscheidungen zu finden. Und deswegen kommt es auf die Professionalität des Managements an. Verein ist nicht gleich Verein. Es kommt auf die Balance an: Es braucht fachliche Kompetenz aus kaufmännischer und sportlicher Sicht – und es braucht eine gewisse Fan-Nähe. Bei Eintracht Frankfurt ist das Management greifbar und als Fan hat man auch einen gewissen Einfluss, ist näher dran. Man sollte sehr vorsichtig sein, das nicht ganz zu vergessen. Es macht den Sport aus, dass der Fan sehr nah dran ist.
SPONSORs: Viele Sportarten und Clubs, Ligen oder Verbände sind ja stark von einer funktionierenden Industrie abhängig. Lassen Sie uns einmal einen größeren Wirtschaftsausblick wagen: Wie schlimm wird uns das treffen, was aktuell in der Welt passiert?
Sewing: Das ist die komplexeste Situation, die ich in 32 Jahren Bank-Leben erlebt habe. Es ist jetzt aber nicht so, dass man deswegen alles eskalieren muss. Aber es ist einfach komplex, weil sie mit Risiken konfrontiert sind. Es ist nicht nur die Inflation, es sind ja immer noch auch Auswirkungen der Pandemie. Die Lieferketten sind zum Teil noch unterbrochen. Ich hoffe nicht, dass es noch einmal zu größeren Lockdowns kommt. Das bedeutet, dass wir insgesamt mit vielen Unsicherheiten konfrontiert sind.
SPONSORs: Gibt es etwas, was Ihnen Hoffnung macht?
Sewing: Die deutsche Wirtschaft ist enorm robust. Trotz einer drohenden Rezession, die ich mittlerweile für nächstes Jahr als Basisannahme nehme, hat die deutsche Wirtschaft die Chance, das durchzustehen. Aber wir müssen jetzt sehen, dass wir die Inflation bekämpfen. Das Schlimmste, was uns passieren kann, ist eine Inflation, die nicht mehr weggeht. Dann kommen wir in die Lohn-Preis-Spirale rein. Dann kommt es immer wieder zu sich selbst verstärkenden Effekten und deswegen ist es so wichtig, dass wir jetzt hart dagegen vorgehen.
SPONSORs: Wie kann das geschehen?
Sewing: Ich glaube, die letzten Anzeichen und Signale der Zentralbanken waren dahingehend richtig. Ich glaube, dass wir bis März oder Mai nächsten Jahres bei der EZB kontinuierlich Zinssteigerungen sehen werden. Da wird mit Sicherheit im März eine Zwei vor dem Komma stehen und in Amerika wird eine Vier vor dem Komma stehen. Das macht es jetzt am Anfang nicht leichter. Aber lieber jetzt die Therapie möglichst hart, dann kommen wir eher aus der Rezession raus. Und dann hat Deutschland auch gute Chancen, danach wieder so zu florieren, wie wir uns das alle wünschen.
SPONSORs: Was glauben Sie, wie lange die Rezession anhält?
Sewing: Was ich noch nicht erlebt habe, ist diese Vielfältigkeit der unterschiedlichen Krisenherde. Sie haben diesen furchtbaren Krieg, wo wir nicht wissen, wann und wie er ausgeht. Das hat einen großen Einfluss auf unsere Wirtschaft, die Inflation oder die Lieferketten. Ich finde, wir reden noch viel zu wenig über eine drohende Nahrungsmittelkrise. Wir müssen mal nach Nordafrika schauen, wir müssen mal in den Nahen Osten schauen, wir sehen Flüchtlingsströme. Es sind Millionen von Menschen auf dem Weg Richtung Europa, weil sie zurzeit nicht in ihrer Heimat leben können. Die Komplexität dieser Krise ist größer als vorher und deswegen ist es so schwer, Vorhersagen zu machen. Aber wir haben auch die Robustheit in Deutschland, damit umzugehen. Wir haben die Kraft, da durchzugehen. Und ich glaube, da gilt es jetzt auch für die Führungskräfte – ob in der Politik oder Wirtschaft –, das anzunehmen.
SPONSORs: Welche Industrien sind besonders betroffen? Oder aus der Sicht des Sports gefragt: Mit welchen Partnern im Sponsoring-Portfolio muss man sich besonders Sorgen machen?
Sewing: Natürlich sind das alle Industrien, die enorm von Energiepreisen abhängig sind. Sie haben jetzt mehr zu kämpfen, vor allem aber die Firmen, die nur ein Produkt oder einen bestimmten Markt haben. Sie haben eine besonders große Abhängigkeit. Sie haben deutlich mehr Schwierigkeiten als Firmen, die breit aufgestellt sind, mehrere Produktlinien haben und einen sehr diversifizierten Absatzmarkt oder auch einen Einkaufsmarkt haben. Wenn eine große Abhängigkeit besteht, insbesondere von Energiepreisen, dann ist es natürlich eine deutlich schwierigere Situation. Es ist wichtig, dass man sich jedes Unternehmen im Detail anschaut.
SPONSORs: Was ist Ihr Rat in dieser Situation an Verantwortliche im Profisport?
Sewing: Ich maße mir nicht an, dem Management eines großen Vereins in irgendeiner Form eine Empfehlung zu geben. Aber ich glaube, so weit sind die gar nicht entfernt von einem Industrieunternehmen oder von uns auch als Bank. Wenn Sie in einer schwierigen Zeit sind, ist es unglaublich wichtig, dass Sie die Dinge, die Sie kontrollieren können, absolut im Griff haben – vor allem die Kosten. Wenn ich Verantwortlicher wäre, dann würde ich aber immer darauf achten, dass ich ein gutes Liquiditätspolster habe. Ich würde heute schon sicherstellen, dass ich da über die nächsten 12 bis 18 Monate Sicherheit habe.
SPONSORs: Herr Sewing, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview wurde beim SPOBIS 2022 auf der Bühne von SPONSORs-Geschäftsführer Marco Klewenhagen geführt. Diese Version zeichnet das Gespräch nach.
Titelfoto: Eintracht Frankfurt
Florian Oediger
Senior Redakteur
Der studierte Volkswirt und Sportökonom schreibt seit mehr als 15 Jahren über das Sportbusiness. Seit dem Sommermärchen 2006 hat er keine SPOBIS Conference verpasst. Als Journalist schaut er gerne hinter die Kulissen des Profifußballs und auf die Marketing- und Sponsoringstrategien großer Unternehmen. Privat hat er sich dem Ausdauersport verschrieben und verbringt mit der Familie so viel Zeit wie möglich in der Natur.