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08. Dez. 2023

Finanzkrise oder Investitionsoffensive? – Die Entscheidung, die die Bundesliga prägen wird

Die Bundesliga muss am Montag über die Aufnahme von Investorengeldern entscheiden. So sehr das Thema emotionalisiert, so groß ist die Tragweite dieser Entscheidung. Die Club-Verantwortlichen sollten sich endlich ihrer Verantwortung bewusst werden.

Ein Kommentar von Marco Klewenhagen 

Um zunächst einen allgemeinen Kontext herzustellen:   

Die organisierte Fanszene hat zweifellos das Recht, sich in strategischen Fragen der Bundesliga nach ihren Überzeugungen zu positionieren. In diesem Fall lehnt sie eine Beteiligung von Investoren ab, ohne anscheinend die Relevanz für die Bundesliga zu berücksichtigen. Das Wort „Investor“ allein scheint bei vielen emotionale Reflexe auszulösen, und in einem solchen Umfeld scheinen Fakten und Argumente oft schwer durchzudringen. Dennoch ist es das Privileg eines jeden Fans, auch wenn er möglicherweise weniger informiert ist, seine Position zu solchen Fragen zu beziehen. 

Dieses Privileg steht den Vereinsverantwortlichen, sei es im Präsidium, im Aufsichtsrat oder in der kaufmännischen Geschäftsführung, nicht zur Verfügung. Im Gegenteil, sie sind definitionsgemäß verpflichtet, den Verein und gegebenenfalls die ausgegliederten Kapitalgesellschaften vor Schaden zu bewahren. Diese Verantwortlichen sind dazu verpflichtet, sachgerechte Entscheidungen sowohl für den eigenen Club als auch für die Liga als Ganzes zu treffen. Sie dürfen sich nicht von persönlichen oder politischen Motiven leiten lassen, sondern müssen die finanzielle Stabilität und Wettbewerbsfähigkeit des Clubs und der Liga im Auge behalten. Dies sollte eine Selbstverständlichkeit sein, aber in der Realität gestaltet sich dies oft anders. Viele Clubverantwortliche sind von den Wahlen ihrer Mitglieder abhängig und/oder haben Arbeitsverträge, die eng mit ihrer Position im Verein verknüpft sind. Dabei macht die organisierte Fanszene in der Regel zwar weniger als zwei Prozent der gesamten Vereinsmitglieder aus, bei Versammlungen sind sie jedoch meist in der deutlichen Überzahl und bestimmen somit, wer im Verein Positionen besetzt. Diese Abhängigkeit führt oft dazu, dass Clubverantwortliche ihr Abstimmungsverhalten, selbst wider besseres Wissen und eigener Überzeugung, dem Willen der „Kurve“ anpassen. 

Was den Clubs droht, wenn kein frisches Geld fließt 

Die Entscheidungsfindung im sozialpolitischen Umfeld eines Bundesligisten ist zweifellos eine Herausforderung für viele Verantwortliche. Dennoch sollten alle Vereinsvorstände erkennen, dass die bevorstehende Abstimmung über die Aufnahme von Investorengeldern eine entscheidende Weichenstellung für die Zukunft der Bundesliga-Clubs darstellt. Daher gehört es zur Verantwortung gegenüber den Vereinsmitgliedern und Fans, eine transparente Aufklärung über die möglichen Konsequenzen zu gewährleisten. Präsidium, Aufsichtsrat und Geschäftsführung müssen sachgerecht informieren, was der Liga - und somit auch dem eigenen Verein – droht, wenn künftig nicht mehr ausreichend Kapital zur Verfügung steht. 

Warum könnte dies der Fall sein? Zunächst haben die Bundesliga-Clubs kürzlich beschlossen, die 50+1-Regel beizubehalten, was bedeutet, dass die Stimmenmehrheit an einer möglichen ausgegliederten Kapitalgesellschaft nach wie vor beim Stammverein liegen muss. Dies macht es den Clubs weiterhin schwer, Geld durch den Verkauf von Anteilen an Investoren aufzunehmen, da diese Bedingungen für die meisten Kapitalgeber oft unattraktiv sind. 

Darüber hinaus besteht die Annahme, dass der nächste Medienrechtevertrag (ab 2025/26) für die Bundesliga möglicherweise weniger lukrativ ausfallen könnte als der aktuelle Vertrag. Dies muss nicht unbedingt eintreten, jedoch aufgrund der gegenwärtigen Probleme im deutschen Medienmarkt ist die Wahrscheinlichkeit eines schlechteren Ergebnisses hoch; auch wenn dies verständlicherweise von den Clubs öffentlich nicht bestätigt wird. 

Ein schlechterer Medienrechtevertrag würde für viele Clubs weniger Einnahmen bedeuten und könnte bei einigen Bundesligisten sogar zu Liquiditätsproblemen führen. Hinzu kommt ein besonderer Effekt, der sich umso mehr negativ auf eben jene Liquidität auswirken könnte. Die Einnahmen aus dem Medienvertrag werden über einen vierjährigen Zeitraum progressiv an die Liga ausgeschüttet, wodurch es in einem ersten Vertragsjahr weniger Einnahmen gibt als in den folgenden Jahren. Bei ohnehin schon sinkenden Medieneinnahmen wäre also die finanzielle Lücke zwischen dem letzten Jahr des aktuellen Vertrags (Saison 2024/25) und dem ersten Jahr des neuen Medienrechtevertrags (Saison 2025/26) besonders groß. 

Ungleiches Verhältnis: Die organisierte Fanszene macht in der Regel weniger als zwei Prozent der gesamten Vereinsmitglieder aus, bei Versammlungen sind sie jedoch meist in der deutlichen Überzahl und bestimmen somit, wer im Verein Positionen besetzt. (Foto: picture alliance/dpa | Mohssen Assanimoghaddam)

Ungleiches Verhältnis: Die organisierte Fanszene macht in der Regel weniger als zwei Prozent der gesamten Vereinsmitglieder aus, bei Versammlungen sind sie jedoch meist in der deutlichen Überzahl und bestimmen somit, wer im Verein Positionen besetzt. (Foto: picture alliance/dpa | Mohssen Assanimoghaddam)

Für kleine Clubs besteht dann die Gefahr, dass ihre Einnahmen so drastisch zurückgehen, dass sie in finanzielle Schwierigkeiten geraten könnten. Dies würde dazu führen, dass viele Bundesligisten massive Kosteneinsparungen vornehmen müssten, um ausreichend Liquidität für die laufende Saison zu sichern und eine Lizenz von der DFL zu erhalten. Diese Einsparungen könnten jedoch aufgrund bestehender Verträge schwierig und langwierig sein. 

Dieses drohende Szenario ist unter anderem auch ein Grund, warum alle Clubs uneingeschränkt sagen, dass sie Liquiditätsbedarf sehen. Gestritten wird meist über welche Art und Weise das Geld aufgenommen werden sollte: über einen Investor oder eine sogenannte Binnenfinanzierung aus der Liga. Dabei fällt auf, dass die Clubs, die eine Binnenfinanzierung bevorzugen, selten konkret darlegen, wie diese realistisch umgesetzt werden könnte. Banken werden keine Kredite ohne finanzielle Sicherheiten der Liga gewähren und diese Absicherungen könnten nur von den finanzstarken Top-Clubs der Liga kommen. Diese haben jedoch betont, dass sie dies nicht tun können oder wollen.  

Kürzlich wurde auch noch vorgeschlagen, das Namensrecht der Liga an ein Unternehmen zu verkaufen, ähnlich wie bei der „Google Pixel Frauen Bundesliga“. Einmal unberührt davon, welche Emotionen das in der Kurve auslösen würde, stellt sich die Frage, welches Unternehmen bereit wäre, über zehn Jahre hinweg 250 Millionen Euro für dieses Recht zu zahlen – so die Vorstellung einiger Manager – und nicht in Konkurrenz zu bestehenden Club-Sponsorenverträgen steht. Dieses Szenario scheint wenig realistisch. 

Enthaltungen sind unangemessen 

Der Ligaverband muss nun als oberstes Ziel die finanzielle Stabilität der Clubs sicherstellen und ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit erhöhen. Der Aufbau einer eigenen weltweiten Medienplattform, finanziert durch Investorengelder, könnte das Einnahmenportfolio diversifizieren und die finanzielle Abhängigkeit von nationalen und internationalen TV-Anstalten erheblich verringern. So wäre es der Liga möglich, auf internationalen Märkten zu wachsen, ihre Wahrnehmbarkeit zu steigern und sich stärker zu etablieren, was sich auch positiv auf bestehende Sponsoringpartnerschaften auswirken könnte. 

Die organisierte Fanszene verdient zweifellos Respekt und Anerkennung, sie spielt eine wichtige Rolle im Vereinsleben und in der Bundesliga. Jedoch repräsentiert sie faktisch nicht die Mehrheit der Vereinsmitglieder und Fans, obwohl sie aufgrund ihrer emotionalen Lautstärke oft den Diskurs dominiert und sollte daher nicht über den Clubs oder der Liga stehen. Die gewählten Präsidien, Aufsichtsgremien und hauptamtlichen Geschäftsführungen tragen die Verantwortung für die künftige finanzielle Gesundheit und Wettbewerbsfähigkeit der Clubs und Liga. Sie müssen ohne persönliche Motivation eine vernünftige Entscheidung treffen. Deswegen werden auch die Clubs, die sich der Abstimmung lieber enthalten möchten, um sich alle Optionen offenzuhalten, ihrer Aufgabe ebenfalls nicht gerecht. 

Titelfoto: picture alliance / Fabian Sommer/dpa | Fabian Sommer

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