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10. Apr. 2024

„Fortuna für alle“: Eine Bestandsaufnahme der Ticket- und Daten-Revolution

Zeit für eine Bestandsaufnahme nach dem letzten Freispiel: Schon jetzt ist klar, „Fortuna für alle“ wird es auch in der kommenden Saison geben. Alexander Jobst, CEO von Fortuna Düsseldorf, steht Rede und Antwort und gibt ein Mindestziel aus.

SPOBIS: Die Verkündung von „Fortuna für alle“ im April 2023 schlug medial hohe Wellen. Als erster Club weltweit bietet die Fortuna kostenlosen Eintritt zu ihren Heimspielen. Wie kam es zu dieser richtungsweisenden Entscheidung?

Jobst: Als ich meine Arbeit im Januar 2022 gemeinsam mit meinen Vorstandskollegen Klaus Allofs und Arnd Hovemann aufgenommen habe, stand die Fortuna auf Platz 16 – der Spalt zur 3. Liga war offen. Wir hatten sowohl sportlich als auch wirtschaftlich eine unsichere Zukunft vor uns. Schließlich kamen wir gerade aus Corona.

SPOBIS: Das hatte was zur Konsequenz?

Jobst: Nachdem wir uns eingehend mit der wirtschaftlichen Situation des Vereins vertraut gemacht hatten, sind wir schnell zu dem Entschluss gekommen: Entweder wir schrauben unsere sportlichen Ansprüche runter oder wir müssen etwas komplett anderes machen. Auf dieser Basis ist das Konzept „Fortuna für alle“ entstanden.

SPOBIS: Fortuna Düsseldorf gehört zu den wenigen Vereinen im deutschen Profifußball, die noch als eingetragener Verein operieren. Warum kam eine Ausgliederung der Profiabteilung nicht infrage?

Jobst: Eine Ausgliederung bringt nicht automatisch nur Vorteile mit und ist kein Allheilmittel. Wir sind der Überzeugung, dass wir mit „Fortuna für alle“ einen Weg gefunden haben, der zu unserem Traditionsverein und den Menschen hier passt und gleichzeitig Erfolg versprechend ist.

SPOBIS: Die Mitglieder und Fans spielen auch bei „Fortuna für alle“ eine zentrale Rolle.

Jobst: Ein klares Ziel von „Fortuna für alle“ ist die Partizipation der Fans. Nicht umsonst haben wir in den letzten Monaten mehr als 19.000 Menschen befragt – ob über Mitgliederforen, an Fan-Abenden oder durch Spieltagsumfragen. Man kann es nicht jedem recht machen, aber wir versuchen alles, um unsere Fans transparent im gesamten Prozess mitzunehmen.

SPOBIS: Wie sind Sie mit Ihren Dauerkarteninhabern umgegangen?

Jobst: Treue wird belohnt. Nach diesem Motto sind wir vorgegangen. Dauerkarteninhaber haben Anspruch auf ihren Platz, müssen entsprechend auf den Gesamtpreis ein Spiel weniger zahlen. Auch die Südkurve wurde für die organisierte Fanszene reserviert, die die Tickets dort selbstständig verteilen.

SPOBIS:„Fortuna für alle“ soll vor allem auch bei der Stadt Düsseldorf Eindruck gemacht haben. Wie laufen die Gespräche?

Jobst: Eine Fußballstadt wie Düsseldorf kann nur langfristig funktionieren, wenn der Schulterschluss zwischen Verein und Stadt gegeben ist. Wir sind mit „Fortuna für alle“ einen Schritt auf die Stadt zugegangen und haben von Anfang an die Unterstützung der Stadtspitze gehabt. Aktuell arbeiten wir an gemeinsamen Lösungen, die für beide Seiten eine Weiterentwicklung darstellen.

SPOBIS: Können Sie das konkretisieren?

Jobst: Nehmen Sie das Beispiel Vermarktung. Hier können wir im Schulterschluss Partner ansprechen und überzeugen, die jede Seite für sich vielleicht so nicht gewinnen könnte. Hier machen wir vielversprechende erste Schritte. Aber auch das ist eine Reise.

SPOBIS: Lassen Sie uns über die strategischen Partner von „Fortuna für alle“ sprechen. Wo liegen die Unterschiede zu einem klassischen Sponsoring?

Jobst: Ein Kernelement der Ausrichtung ist das gesellschaftliche Engagement. Wir wollen nicht nur kostenlose Heimspiele anbieten, sondern auch soziale und nachhaltige Projekte in den Mittelpunkt stellen, um diese einer möglichst breiten Masse zugänglich zu machen. Davon profitieren auch unsere Partner, die rund um die Freispiele Geschichten erzählen können. „Fortuna für alle“ ist alles andere als ein Sponsoring von der Stange.

SPOBIS: Wie zeigt sich das in der Aktivierung Ihrer Partner?

Jobst: Im Rahmen des zweiten Freispiels gegen den FC St. Pauli haben wir uns am bundesweiten „Erinnerungstag im deutschen Fußball“ beteiligt und gemeinsam mit der Targobank ein Spieltagsmotto „Für alle, aber gegen Hass und Ausgrenzung“ ins Leben gerufen. So lief die Mannschaft zum Beispiel mit Aufwärmshirts auf, die nach der Partie von der Targobank für einen guten Zweck versteigert wurden. Gemeinsam mit unseren Partnern werden die Spieltage über gesellschaftlich relevante Themen stark aufgewertet. Das ist nur ein Beispiel, aktuell passiert da sehr viel noch im Hintergrund, was sicherlich in den nächsten Monaten sichtbar wird.

Fortuna-CEO Alexander Jobst und Targobank-CEO Isabelle Chevelard nutzten das zweite Freispiel für soziale Projekte. Foto: IMAGO / Moritz Müller

Fortuna-CEO Alexander Jobst und Targobank-CEO Isabelle Chevelard nutzten das zweite Freispiel für soziale Projekte. Foto: IMAGO / Moritz Müller

SPOBIS: Auffällig sind auch die langen Vertragslaufzeiten der strategischen Partner.

Jobst: Die Partnerschaften sind mindestens auf fünf Jahre angelegt. Das gibt uns Planungssicherheit. Wir sehen, dass sich Partner mit einem klaren Konzept auch langfristig an einen Club binden lassen. Mit Blick auf die 2. Bundesliga gibt es kaum noch Sponsoringverträge, die länger als ein bis zwei Jahre laufen. Die Partnerschaften sind auch deshalb ein Wettbewerbsvorteil für uns.

SPOBIS: Ist bei der Fortuna überhaupt noch Platz für „normale“ Sponsorings mit kürzeren Laufzeiten?

Jobst: Natürlich bieten wir auch klassische Sponsoringelemente an. Wir merken aber immer mehr, dass Unternehmen mehr verlangen als Minuten auf einer LED-Bande.

SPOBIS: Nach SPOBIS-Informationen zahlen die strategischen Partner Targobank, HPE und Yayla kumuliert rund 45 Millionen Euro über den Zeitraum von fünf Jahren. Ein Teil wird sicher zur Refinanzierung der ausbleibenden Ticketing-Einnahmen benötigt. Was passiert mit dem übrigen Geld?

Jobst: Wir haben mit unseren Partnern vereinbart, dass wir eine transparente Mittelverwendung vornehmen. Neben den Investitionen in den Profikader werden wir vor allem die Infrastruktur stärken. Das betrifft insbesondere den Nachwuchs sowie den Mädchen- und Frauenfußball der Fortuna. Eins ist klar: Unsere Partner wissen, was mit ihren Geldern passiert.

SPOBIS: „Fortuna für alle“ soll in erster Linie als nachhaltiges Geschäftsmodell funktionieren. Bei 50.000 Zuschauern entgehen dem Club pro Freispiel Einnahmen in Höhe von 450.000 Euro aus dem Public Ticketing (Anmerkung der Redaktion: Der Hospitality-Bereich wird klassisch vermarktet). Warum geben Sie die originäre Erlössäule des Ticketings nach und nach aus der Hand?

Jobst: Es ist kein Geheimnis, dass wir zur Refinanzierung starke Partner an unserer Seite brauchen. Vor allem, wenn wir künftig mehr als drei Freispiele pro Saison anbieten wollen. Dafür müssen wir weitere Partner gewinnen. Wir sehen aber, dass andere Erlösstränge Ausschläge zeigen und uns bei der Refinanzierung helfen. Es bleibt allerdings volatil, keiner kann vorhersagen, wie sich die Einnahmen künftig entwickeln. Vor allem bei den Medieneinnahmen steht aktuell noch ein Fragezeichen.

SPOBIS: Welche Erlösstränge meinen Sie konkret?

Jobst: Wir verkaufen im Merchandising 46 Prozent mehr Trikots als im Vorjahr. Allein bei den Heimtrikots haben wir eine signifikante Erhöhung erzielt und den Vertrieb verdoppelt. Zudem sehen wir zwölf Prozent mehr Fans im Stadion – und das abzüglich der Freispiele. Solche Abstrahleffekte helfen auf unserem Weg und sind Resultat von „Fortuna für alle“.

SPOBIS: Böse Zungen könnten behaupten, dass sich die Zahlen insbesondere durch den sportlichen Erfolg gesteigert haben. Immerhin hat die Fortuna das DFB-Pokal-Halbfinale erreicht und kämpft – anders als im letzten Jahr – um den Aufstieg in die Bundesliga.

Jobst: Durchaus richtig. Vergleichen wir den Besucherwert allerdings mit unserer Aufstiegssaison 2017/18, haben wir sogar 27 Prozent mehr Menschen im Stadion. Der Effekt von „Fortuna für alle“ ist also klar erkennbar.

SPOBIS: Lassen Sie uns über die Freispiele gegen den 1. FC Kaiserslautern und den FC St. Pauli sprechen. (Anmerkung der Redaktion: Das dritte Freispiel gegen Eintracht Braunschweig fand kurz vor Veröffentlichung des Interviews statt.) Wie viele Anmeldungen gab es?

Jobst: Wir hatten gegen den 1. FC Kaiserslautern 120.000 Anmeldungen, gegen den FC St. Pauli sogar 130.000. Das hat uns gezeigt, dass das Angebot wahrgenommen wird und wir auf dem richtigen Weg sind. In Summe hatten wir für die drei Freispiele über 340.000 Ticketanfragen. Das bestätigt uns auf dem eingeschlagenen Weg.

SPOBIS: Hatten Sie nicht Sorge vor einer hohen No-Show Rate? Dass diejenigen, die ein kostenloses Ticket erhalten, nicht ins Stadion kommen?

Jobst: Die No-Show Rate war für mich persönlich ein großes Fragezeichen. Nach dem Motto: Was nichts kostet, ist nichts wert. Gezeigt hat sich das Gegenteil, Gott sei Dank! Der Wert lag bei den beiden Partien zwischen 12 und 15 Prozent. Bei regulären Liga-Spielen – egal ob Bundesliga oder 2. Liga – liegt die Zahl deutlich höher.

SPOBIS: „Fortuna für alle“ ist nicht nur eine Ticket-Revolution, sondern vor allem auch ein Digitalisierungsprojekt. In Sachen Datenerhebung und -management hat der deutsche Profifußball massiven Nachholbedarf. Wie kann das Projekt der Fortuna in diesem Bereich helfen?

Jobst: Wenn man sich allein die Zahlen anschaut, haben wir einen riesigen Schritt nach vorn gemacht. Wir konnten durch die zwei Freispiele 703.000 neue Datenpunkte generieren. Ein Drittel davon sind gänzlich neue Kontakte. Der digitale Hub ist das eigentliche Herzstück des Projekts, der uns alle Datenpunkte zusammenbringen lässt. Im nächsten Schritt folgt die Monetarisierung. Hier sind wir schon auf einem guten Weg, ansonsten wären die oben erwähnten Steigerungen in anderen Geschäftsbereichen auch nicht möglich gewesen.

  • Kampagne erzielte eine Reichweite von über zwölf Millionen Menschen (Kommunikation über die Fortuna-Kanäle und Out-of-Home-Maßnahmen)

  • Die Engagement Rate auf den Social-Media-Plattformen lag nach Verkündung im April 2023 bei fünf Prozent. Normale Interaktionsraten bewegen sich zwischen 1,5 und 2 Prozent.

  • Zwei von drei Freispiel-Besuchern, die vorher nur unregelmäßig im Stadion waren, sagen: „Mir hat es gut gefallen und ich werde wieder häufiger ins Stadion kommen – unabhängig davon, ob Freispiel oder eine zu bezahlende Partie.“

SPOBIS: Welche Rolle spielt HPE beim Digitalisierungsprozess der Fortuna?

Jobst: HPE mit Hauptsitz in den USA bringt einen großen Vorsprung in Sachen Digitalisierungskompetenz gegenüber vielen anderen Playern mit. Wir waren von Beginn an offen und ehrlich und haben gesagt: Schaut bei uns rein. Nach zwei Wochen war klar, wir müssen von null anfangen. Diese Deutlichkeit vonseiten unseres Partners hat es aber gebraucht.

SPOBIS: Stand es so schlecht um die digitale Infrastruktur der Fortuna?

Jobst: Auch hier eine ehrliche und offene Aussage von mir: Vor zwei Jahren war die Karosserie der Digitalisierung bei Fortuna Düsseldorf durchaus glänzend. Haben wir aber in den Motorraum reingeschaut, war da schlichtweg nichts. Das ist kein Fortuna-Phänomen, aber wir mussten etwas ändern, um Daten zu sammeln. Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass wir mit HPE einen Partner an unserer Seite haben, der Datenschutz-Themen seriös nach deutschem Recht behandelt. Daten, die bei der Fortuna liegen, bleiben bei uns und werden nicht an Dritte weitergegeben.

SPOBIS: Wie sehen die nächsten Schritte aus?

Jobst: Wir werden die Pilotphase analysieren und mit unseren Mitgliedern, Fans und Partnern besprechen, wie viele Freispiele wir künftig anbieten können. Mindestens vier werden es in jedem Fall. Man darf bei diesem Prozess nicht vergessen: Wir sind die ersten weltweit. Wir haben keine Vergleichswerte. Zwar gibt es erste Nachahmeffekte wie etwa vom französischen Zweitligisten Paris FC. Wenn du aber als Erster startest, muss es das Ziel sein, deinen Innovationsvorsprung auszubauen.

SPOBIS: Wird es auch im Falle eines Aufstiegs in die Bundesliga Freispiele in der Düsseldorfer Arena geben?

Jobst: Unbedingt. Egal, welche Liga – wir werden eine Progression der Freispiele anbieten.

SPOBIS: Herr Jobst, vielen Dank für das Gespräch.

Foto: SPOBIS / picture alliance

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