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24. Feb. 2022

Warum der NFL-Zug in Deutschland jetzt richtig ins Rollen kommt

Die NFL hat das klare Ziel formuliert, bis 2024 die Nummer-zwei-Sportart hinter dem Fußball in Deutschland zu werden. Christian Fichter, Geschäftsführer und Gründer der Digitalagentur Sweep, begleitet die Aktivitäten der NFL in Deutschland seit Tag eins. Er erklärt den jüngsten Erfolg der US-Liga hierzulande und nennt den Hauptunterschied zwischen deutschen und US-amerikanischen Sportrechtehaltern.

SPONSORs: Laut einer AGF-Studie erreicht American Football bei der Frage nach den beliebtesten Sportarten in der werberelevanten Zielgruppe zwischen 14 und 49 Jahren starke 33,8 Prozent. Damit liegt die US-Sportart hierzulande auf Platz zwei hinter dem Fußball. Was sind die Faktoren für diesen Erfolg und das starke Interesse an der National Football League (NFL)?

Fichter: Was man in dem Kontext zuallererst sagen muss: Die NFL hat mit ProSiebenSat.1 einen absoluten Glücksgriff gemacht. Das war der Ausgangspunkt für alles Weitere. Der Sender hat es verstanden, mit seiner Übertragung ein eigenes Produkt zu kreieren, und somit den Nerv der Zeit getroffen. Mit der Art und Weise konnte sich vor allem die jüngere Zielgruppe identifizieren, weil sie im Vergleich zu klassischen Sportübertragungen unkonventionell, locker und neu war. Zudem haben prominente Köpfe wie Frank Buschmann gerade in der Anfangszeit für einen medialen Push bei der Übertragung gesorgt.

Januar 2016: Nachdem die TV-Quoten in Deutschland in den vergangenen Jahren konstant gestiegen waren, verstärkt die NFL ihre Aktivitäten und kooperiert mit Sportfive (früher Lagardère Sports) bei der Entwicklung des deutschen Marktes. Im Fokus steht unter anderem der Aufbau von lokalen Social-Media-Kanälen. Projektleiter bei Sportfive sind Peer Naubert und Christian Fichter.

April 2016: Parallel zum NFL-Draft 2016 startet die digitale Kommunikation der NFL in Deutschland. Im ersten Schritt wird ausschließlich auf dem globalen NFL-Account auf Facebook kommuniziert. Der Content wird zielgruppenspezifisch an deutsche Fans ausgespielt.

Juli 2016: Im Zuge des Deutschland-Besuchs von NFL-Starspieler Odell Beckham Junior wurde der Instagram-Account „NFL Deutschland“ gelauncht.

September 2016: Kurz vor dem Start der NFL-Saison geht der Twitter-Account „NFL Deutschland“ an den Start.

August 2017: Mit den New England Patriots kooperiert nun auch das erste NFL-Team mit Sportfive.

Mai 2018: Fichter gründet die Digitalagentur Sweep und kann auch seine bisherigen Sportfive-Kunden (NFL und die New England Patriots) von einem Wechsel überzeugen. 

September 2018: Sweep startet das E-Mail-Marketing-Programm für seine Kunden.

März 2019: Die Carolina Panthers und die Pittsburgh Steelers schließen sich als weitere NFL-Teams Sweep an.

September 2021: Kurz vor dem Start der NFL-Saison launcht Sweep den Tiktok-Account „nfldeutschland“.

Januar 2022: Im Zuge der Vergabe der exklusiven Vermarktungsrechte für den deutschen Markt gewinnt Sweep mit den Kansas City Chiefs und den Tampa Bay Buccaneers zwei weitere Kunden.

SPONSORs: Was hat die NFL auch abseits der TV-Übertragungen richtig gemacht?

Fichter: Die NFL gibt ihren Agenturen in der Zusammenarbeit viel Freiraum. Bereits nach vier Tagen durften wir im Namen der NFL ohne Freigabe Content verbreiten. Wir haben dann so kommuniziert, wie ProSiebenSat.1 es in der TV-Übertragung etabliert hat – jung, frech und unterhaltsam. Wir beobachten, dass Sportrechtehalter in Deutschland in dem Kontext meist sehr konservativ und vorsichtig eingestellt sind, das erschwert die Kommunikation – vor allem mit der jungen Zielgruppe. Dass die NFL uns da freie Hand gelassen hat und wir direkt auf den Unterhaltungsfaktor abzielen konnten, ist aus meiner Sicht ein wichtiger Aspekt für den Erfolg der NFL in Deutschland. Denn so konnten wir mithilfe der simplen, aber klaren Strategie Reichweite aufbauen und die Bindung zu den Fans hier in Deutschland stärken.

SPONSORs: Ein Grund für den großen Erfolg der NFL ist sicherlich auch das sich ändernde Mediennutzungsverhalten. Können Sie das erklären?

Fichter: Da stimme ich zu 100 Prozent zu. Wie sich das Mediennutzungsverhalten insbesondere der jüngeren Generationen entwickelt hat, spielt der NFL absolut in die Karten. Da es im American Football häufiger Unterbrechungen während des Spiels gibt als beispielsweise im Fußball, bietet das nicht nur Vermarktungschancen, sondern dem Fan zugleich den Freiraum, parallel andere Medien zu nutzen. Das ist ein großer Vorteil für die NFL.

SPONSORs: Sind Sie als umsetzende Agentur im direkten Austausch mit den Medienpartnern der NFL?

Fichter: Eins der Erfolgsgeheimnisse unserer Zusammenarbeit ist, dass die NFL begriffen hat, dass Social Media der Hub für fast alles ist. Deshalb ist es wichtig, dass wir als umsetzende digitale Marketingagentur in Gespräche mit ProSiebenSat.1 oder Dazn eingebunden werden. Nur so bekommen wir die Bedürfnisse und Needs mit und können Markenaufbau betreiben, Benefits generieren und Sympathien aufbauen. Am Ende sitzen wir alle im selben Boot.

Gründung: 2018

Sitz: Hamburg

Mitarbeiter: 10

Geschäftsführer & Gründer: Christian Fichter (siehe Foto)

Kunden: NFL, Carolina Panthers, Kansas City Chiefs, Tampa Bay Buccaneers, Pittsburgh Steelers, New England Patriots, DFL im Bereich Medienrechte und Digitales, Over Tier (Gamepass-Betreiber)

SPONSORs: Haben Sie im Zuge Ihrer Zusammenarbeit langfristige Zielwerte mit der NFL definiert?

Fichter: Wir aktualisieren jedes Jahr die digitalen KPIs, die wir mit unserer Arbeit beeinflussen können. Das ist notwendig, weil sich die Digital-Landschaft schnell verändert. Ein Dreijahresplan macht in dem Kontext wenig Sinn. Die NFL hat zudem das übergeordnete Ziel formuliert, bis 2024 die Nummer-zwei-Sportart hinter Fußball zu werden. Dabei werden die Einschaltquoten und die Anzahl der Fans als Kernkriterien herangezogen. Unsere Ziele sind jeweils immer darauf ausgerichtet und stehen in einem unmittelbaren Verhältnis zu den übergeordneten KPIs.

SPONSORs: Was unterscheidet die NFL von deutschen Liga-Organisationen?

Fichter: Die NFL hat den Glauben „Money follows eyeballs“ fest verankert und folgt dem Grundsatz: Wenn es Fans gibt, die wir erreichen und „engagen“ können, werden wir früher oder später auch mit ihnen Geld verdienen. Dieser Glaube existiert bei deutschen Sportrechtehaltern mehrheitlich nicht. Meist ist es so, dass Verantwortliche einen „Beweis“ für eine Refinanzierung in einer Excel-Liste sehen wollen, bevor eine entsprechende Investition getätigt wird. Nicht falsch verstehen: Auch die NFL arbeitet mit Excel-Listen, doch die schnelle Umsatzmaximierung steht nicht so im Fokus wie in Deutschland.

SPONSORs: Investiert die NFL mehr Geld in das Marketing in Deutschland als andere Profisportligen?

Fichter: Was ich aus meiner Erfahrung sagen kann: Das Investment der NFL in das Marketing in Deutschland ist nicht so hoch, wie es der große Name vielleicht vermuten lässt. Zumindest nicht bis dato. Das wird sich mit dem Deutschland-Spiel in München sicher ändern.

SPONSORs: Welches Potenzial sehen Sie in den Deutschland-Spielen, bezogen auf Ihr Geschäft?

Fichter: Da haben wir noch nicht final drüber gesprochen. Grundsätzlich ist das Ziel, mit den Deutschland-Spielen die bestehenden Fans zu binden. Die Zuschauerzahlen während des Superbowls, der Play-offs und der Regular Season sind sehr divergent. Sprich, in der Theorie gibt es genug Fans, die sich für die NFL interessieren, jedoch noch nicht genug, die jeden Sonntag regelmäßig Spiele konsumieren.

SPONSORs: Deutschland ist für die NFL der Wachstumsmarkt Nummer eins. Mit Blick in die Zukunft: Wo steht die NFL in ein paar Jahren?

Fichter: Alles andere als eine positive Weiterentwicklung würde mich stark überraschen. Allein mit der Vehemenz und Konsequenz, mit der die NFL den Markt jetzt weiter bespielt, wird der Impact so groß sein, dass die Entwicklung weiterhin nach oben geht. Zudem werden derzeit Strukturen geschaffen wie unter anderem die jüngste Installation eines Deutschland-Geschäftsführers in Person von Alexander Steinfort. Ich glaube, der NFL-Zug kommt jetzt erst so richtig ins Rollen.

SPONSORs: Hat die NFL das Potenzial, eines Tages „König Fußball“ den Platz an der Sonne streitig zu machen?

Fichter: Das glaube ich nicht, das wäre auch ein Stück weit vermessen. Dennoch hat die NFL ihre Vorzüge: Rein aus sportlicher Sicht ist die Fußball-Bundesliga auf dem deutschen Markt zuletzt überwiegend langweilig gewesen – die Meinung habe ich nicht exklusiv. In der NFL hingegen kann auch schnell ein Außenseiter wie zuletzt die Cincinnati Bengals den Superbowl erreichen. Das stößt bei sportbegeisterten Fans viel mehr auf Interesse als die zehnte Meisterschaft des FC Bayern München in Folge.

SPONSORs: Die sportlich hohe Bedeutung liegt allerdings auch an den Strukturen der NFL.

Fichter: Klar, durch die geringe Anzahl an Spielen ist die sportliche Bedeutung einzelner Partien in der NFL extrem hoch. So haben NFL-Teams nur 17 Spiele Zeit, um sich für die Play-offs zu qualifizieren, an denen 14 von 32 Teams teilnehmen. Zudem sorgen der Salary Cap und das Draft-System für einen finanziell fairen Wettbewerb. Im Fußball dagegen wird über eine Weltmeisterschaft alle zwei Jahre diskutiert. Ich glaube nicht, dass das hilft, die Fußballfans in Zeiten der Corona-Pandemie wieder zu gewinnen. Und ich glaube auch nicht, dass es auf Dauer mehr Umsatz generiert. Die NFL ist nicht umsonst, vor allem durch die Verknappung der Spiele, mit einem Umsatz von 15 Milliarden US-Dollar die wirtschaftlich erfolgreichste Sportliga weltweit.

SPONSORs: Herr Fichter, vielen Dank für das Gespräch.

Foto: picture alliance / newscom | John Angelillo

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