Gastbeitrag
Dieser Gastbeitrag wurde von einem unserer Partner erstellt.
Seit Jahren wachsen die Umsätze großer Online-Modehändler wie Zalando stetig, obwohl sie sich in einer höchst kompetitiven Branche behaupten müssen. Die Firmen setzen allerdings kaum auf Sportsponsoring, um sich von der Konkurrenz abzuheben. Warum eigentlich und kann die Sportbusiness-Branche etwas dagegen tun?
Folgende Aussage war von Unternehmensvertretern unterschiedlichster Branchen über Jahrzehnte immer wieder zu hören: „Sportsponsoring ist elementarer Teil unseres Marketing-Mixes und gehört selbstverständlich zu den Instrumenten, die wir für Werbung und Kommunikation nutzen.“ Dementsprechend wähnten sich Sportvermarkter in allen Branchen etabliert, erinnerten die Unternehmen aber sicherheitshalber auch immer wieder gern an diese Erkenntnis. Eigentlich jede Branche schien für die Argumente, die für Sportsponsoring sprechen, zugänglich zu sein. Das stimmt mittlerweile so nicht mehr: Seit ein paar Jahren gibt es in der Modebranche die Entwicklung, dass Sportsponsoring von den Unternehmen offensichtlich nicht mehr als geeignetes Marketing-Instrument angesehen wird. Diese Entwicklung ging von den Online-Modehändlern aus, die als innovative und expansive Markteroberer die etablierten Mode-Unternehmen mit ursprünglich stationärer DNA wie zum Beispiel Esprit vor sich hertreiben. Die Rede ist von den sogenannten „Internet-Pure-Playern“ wie Zalando, About You, Asos oder Outfittery, die ihrerseits mittlerweile über einzelne Filialen auch das stationäre Geschäft bedienen.
Diese Unternehmen profitieren vom Trend, dass immer mehr Menschen im Internet einkaufen – und tun alles dafür, dass es noch mehr werden. Die Zahlen, die die Entwicklung hin zum Onlineshopping belegen, sind eindeutig und genauso bemerkenswert wie das Wachstum und die Umsätze der großen Online-Modehändler (siehe Kasten „Zahlen und Fakten: Online-Modehandel in Deutschland“). Vor allem Zalando hat einen eindrucksvollen Weg hingelegt, sich mit Abstand an die Spitze des Online-Modehandels in Deutschland gesetzt und ist so etwas wie der Taktgeber der Branche. Die Konkurrenz beobachtet genau, was das Berliner Unternehmen macht, und zieht dann oft nach. So haben zum Beispiel viele Modehändler, die wie Esprit oder s.Oliver rein stationär gestartet sind, auch aufgrund von Zalandos großem Erfolg eingesehen, dass sie ebenso online präsent sein müssen.
Auch beim Marketing haben die Verantwortlichen von Zalando der Konkurrenz gezeigt, wie man seine Marke erfolgreich positionieren kann. Eine breitflächige Bekanntheit in der deutschen Bevölkerung erkauften sich die Berliner mit auffälliger, schriller Fernsehwerbung, die in hoher Frequenz gesendet wurde. Die monatlichen Werbeausgaben lagen etwa 2011 im zweistelligen Millionenbereich und wurden im Januar 2012 aufgrund hoher Unternehmensverluste auf fünf Millionen Euro pro Monat reduziert – noch immer ein hohes Niveau. Und die Marketingausgaben insgesamt blieben in den Folgejahren hoch (siehe Grafik: „Marketing-Ausgaben von Zalando“).
Zalando setzte in dieser Zeit nicht nur auf TV-Werbung, sondern – und das liegt nahe – von Beginn an auch stark auf Online-Marketing. Der Sport profitierte allerdings nicht von den vielen Werbemillionen. Zwar gab es immer wieder Gerüchte, dass Zalando Sportsponsoring als Marketinginstrument für sich entdeckt habe, und mehrmals wurde der Name des Online-Modehändlers als möglicher neuer Hauptsponsor bei einem Fußball-Bundesligisten genannt. Zustande kam ein derartiges Engagement als Top-Sponsor im Profisport allerdings nie. Allein mit dem Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) gab es ab Sommer 2012 eine Kooperation, bei der Zalando exklusiv alle Bekleidungsartikel des DLV anbot, darunter die offizielle Merchandising-Kollektion der deutschen Leichtathletik-Nationalmannschaft. Hierfür wurde im Sportbereich des Online-Modehändlers ein eigener DLV-Shop eingerichtet. Sonst blieb es aber bei Gerüchten und Dementis seitens des Unternehmens in Bezug auf einen größeren Sponsoringeinstieg.
An der damaligen Haltung hat sich in den vergangenen Jahren nichts geändert. Im Zuge der Recherche zu diesem Artikel lehnte Zalando ein Gespräch über das Thema Sponsoring ab. Man könne „dazu nichts sagen, weil sich das Unternehmen damit schlicht nicht beschäftigt“, so eine Sprecherin auf Anfrage von SPONSORs. Und Ähnliches war auch von der Konkurrenz zu hören: About You ließ zum Beispiel verlauten, dass „wir grundsätzlich keine externen Sportsponsorings betreiben, da wir selbst viele hauseigene Events veranstalten und sehr viele Marketingaktivierungen durchführen“. Auch von den Unternehmen Asos und Outfittery kam auf Nachfrage die Aussage, dass man sich zum Thema Sponsoring nicht äußern wolle, da man sich wie in der Vergangenheit auch in der näheren Zukunft nicht als Sponsor im Sport engagieren werde.
Es scheint so, als hätten sich die Online-Modehändler auch diesmal ein Beispiel an der Entscheidung des Marktführers Zalando genommen, auf Sportsponsoring zu verzichten. Tatsächlich scheinen Sponsoring und Mode – unabhängig vom Vertriebskanal – nicht mehr so recht zusammenzupassen. Denn Händler mit stationärem Ursprung wie Esprit haben in den vergangenen Jahren ebenfalls wenig in puncto Sportsponsoring gemacht. Genauso Modemarken, die wie Gerry Weber viel ins Sportsponsoring investiert haben, aber aus wirtschaftlichen Gründen damit aufhören mussten. Zwar gibt es noch immer Beispiele für Sponsoren aus der Modebranche wie etwa Hugo Boss als Official Partner des FC Bayern München oder G-Star Raw sowie JD Sports als Partner von Borussia Dortmund. Es handelt sich dabei aber um Kooperationen auf der vierten Sponsorenebene, die abseits des großen Rampenlichts laufen.
Stephanus Tekle, Director Client Solutions von Infront Germany, kann sich noch gut an die Zeit erinnern, als „es bei eigentlich jedem Bundesligisten dazugehörte, Mode-Ausstatter im Sponsoren-Netzwerk zu haben. Entsprechende Kooperationen wurden auch offensiv beworben und kommuniziert“. Seit fünf, sechs Jahren habe sich das allerdings geändert. Den Hauptgrund für diese Entwicklung sieht Tekle in der Umwälzung des Marktes durch die Digitalisierung und Vertikalisierung: „Modehersteller werden zu Modehändlern und Händler werden zu Herstellern – unabhängig von der Größe setzen alle auf Online beziehungsweise E-Commerce. Das hat eine Dynamik beim Marketing angestoßen, die im gesamten Markt erkennbar und aktuell nicht unbedingt förderlich für die Sponsoringbranche ist.“
Die Aussage ist ein Spiegelbild von dem, was in der Sportbranche verstärkt zu beobachten ist: Viele Unternehmen schichten ihre Werbebudgets um, hin zu digitalen Kanälen und weg von den bis dato bespielten Plattformen, zu denen auch der Sport zählt. Als Begründung werden unter anderem die besseren digitalen Messmöglichkeiten genannt. Das sei so auch in der Modebranche der Fall, sagt etwa Axel Augustin vom Bundesverband Textileinzelhandel (BTE): „Alle stürzen sich aufs digitale Marketing.“
Vorneweg geht auch hier einmal mehr Zalando. Das Berliner Unternehmen ließ im Frühjahr 2018 mit der Nachricht aufhorchen, dass gleich 250 Jobs im Marketing gestrichen würden, weil man künftig vermehrt auf IT-gestützte Automation setzen wolle. Aufgaben wie das Verschicken von Werbe-E-Mails sollten in Zukunft verstärkt von Algorithmen oder Künstlicher Intelligenz anstatt von Menschen übernommen werden. Zalando-Co-Chef Rubin Ritter formulierte das Ziel, in Zukunft noch deutlich datenbasierter agieren zu wollen. Dafür würde ein höherer Anteil an Entwicklern und Datenanalysten benötigt und deutlich weniger Marketingfachleute. Datengetriebene Personalisierung bei der Kundenansprache und den Kaufempfehlungen soll also noch mehr als zuvor schon im Mittelpunkt stehen.
Den Online-Händlern geht es in erster Linie darum, die sogenannte „Customer Journey“ ihrer Onlineshopper zu verbessern. Dafür versuchen sie, alles über ihre Kunden herauszufinden. Zum Beispiel auch, welche Endgeräte sie fürs Einkaufen nutzen: Laptop, Smartphone oder Tablet? Welche Kunden gehen lieber auf die Website, welche nutzen lieber die App des Online-Händlers? Das Ziel: Wenn die Online-Händler alles über ihre Kunden wissen, können sie das Onlineshoppen für die Kunden so problem- und reibungslos wie möglich gestalten. Im Idealfall macht das Shoppen Spaß. Wie das im Einzelnen funktionieren kann, zeigt sich beispielsweise anhand der Zalando-App, die das mobile Einkaufserlebnis mithilfe diverser Service-Eigenschaften verbessern soll: Persönliche Empfehlungen aufgrund gekaufter Produkte; Produktsuche der Kunde anhand von Fotos ähnlicher Produkte; Preisvergleich mithilfe eines Barcode-Scanners; Anzeige des aktuellen Warenkorbs, egal ob der Kunde Smartphone, Tablet oder Laptop nutzt; Status-Updates und Sendungsverfolgung von Bestellungen.
Um Services wie diese umzusetzen, sind eine entsprechende technische Infrastruktur und entsprechendes Know-how vonnöten. Und das übersteigt oft das Niveau vieler Sportclubs und -verbände, das einige Online-Marketing-Experten sogar als „digitale Steinzeit“ bezeichnen. Zum Beispiel Benjamin Zschietzschmann von Neusta Sport Portals sagte erst kürzlich gegenüber SPONSORs, dass sich die Sportbusiness-Branche im Hinblick auf die Anforderungen der Partner und Sponsoren dringend verändern müsse: „Statt spannender individueller Kampagnen via Website, Mobile und Apps – inklusive Messbarkeit und Erfolgskennzahlen in Echtzeit – verkaufen die Verantwortlichen lieber weiter Bandenwerbung nach dem 'One-fits-all'-Prinzip, also Standardwerbeflächen für alle Sponsoren. Und dass, obwohl gerade die Clubs die wohl bestmögliche Plattform zum Erreichen der Zielgruppen hochkarätiger Partner und Sponsoren bieten.“ Auch fehlten den Clubs und Verbänden „oftmals die Werkzeuge und Systeme, um die Fans zu identifizieren und eingehend zu analysieren“. Personalisiertes, datengetriebenes Marketing, wie es die Online-Modehändler gewohnt sind, ist so kaum möglich.
Auch für Infront-Mann Tekle besteht aktuell eine große Diskrepanz zwischen dem Denken und Handeln von großen E-Commerce-Unternehmen wie Zalando auf der einen Seite und dem von Clubs und Verbänden auf der anderen Seite. „Klassische Rechtepakete reichen hier nicht aus. Brands oder Händler wollen den direkten Weg zum Verbraucher, der mobil shoppt. Dafür braucht man detaillierte Kenntnisse von der Zielgruppe.“ Big Data sei hier das Stichwort. Das Problem dabei sei, dass „die Clubs und Verbände in diesem Bereich auf einer anderen Entwicklungsstufe sind als Zalando und Co. – auch wenn unsere Erfahrung zeigt, dass das Problem erkannt wurde“, so Tekle weiter. Hinzu kommt, dass Sponsoring seit jeher ein Problem bei der Erfolgsmessung hat. „So Performance-orientiert wie beim Online-Marketing ist Sponsoring nun mal nicht“, räumt Tekle ein.
Selbst die großen Stärken von Sportsponsoring – wie der Emotionstransfer und die daraus resultierende Imageverbesserung oder die Steigerung der Bekanntheit durch die großen Reichweiten – könnten aus Sicht der großen Online-Modehändler eher ein Argument gegen ein Engagement im Sport darstellen. Denn Zalando und Co. brauchen für ihr Geschäft weder eine Steigerung ihrer Bekanntheit noch muss ihr Image aufpoliert werden, so Augustin vom BTE: „Klassische Werbung oder Sponsoring zur Bekanntheitssteigerung ist nachrangig. Die Zielgruppe kennt die großen Modehändler ja schon.“ Tekle, der sich in den vergangenen Jahren intensiv mit der Branche auseinandergesetzt und sich mit diversen Marktteilnehmern ausgetauscht hat, ist ähnlicher Meinung: „In der relevanten Zielgruppe brauchen die großen Modehändler und Brands nicht wirklich eine Steigerung. Sie haben schon exzellente Bekanntheits- oder Beliebtheitswerte.“ Wenn sie hierzu doch etwas investierten, „dann hauptsächlich über Influencer – das können durchaus auch Sportler sein –, die auf Plattformen wie Instagram entsprechende, darauf abzielende Posts absetzen“.
Um in das Relevant Set der Zalandos dieser Welt zu rutschen, müssten Clubs und Verbände Sponsoring also vor allem digitaler denken, so die einhellige Meinung. Es gibt allerdings noch etwas, was gegen langfristige Sponsoringpartnerschaften von Online-Modehändlern spricht: die Schnelllebigkeit der Modebranche. Die Online-Händler bieten ihren Kunden zum Teil tagtäglich neue Kollektionen an. „Look of the day“ heißt das beispielsweise bei Zalando. „Klassisches Sportsponsoring von heute ist da starrer und kann eine derart hohe Dynamik nicht abbilden – zumindest noch nicht“, sagt Tekle.
Schließlich gibt es noch eine Begründung, warum Online-Modehändler auf Sponsoring im Sport verzichten: Es fehlt schlicht das nötige Budget. Die Margen im Online-Modehandel sind meist recht niedrig, ein Top-Sponsorship könnten sich ohnehin nur die Großen der Branche leisten. Und das von den Modehändlern bevorzugte und absatzfördernde Online-Marketing ist teuer, da bleibt nicht viel für andere Maßnahmen. Zudem beobachten Analysten seit ein paar Jahren eine Konsolidierung des Marktes, die sich noch fortsetzen soll. Demnach werden die großen Modehändler noch größer und kleinere haben es schwer und brechen im schlechtesten Fall sogar ganz weg. Auf einem derart hart umkämpften Markt überlegen sich die Firmenverantwortlichen gründlicher als ohnehin schon, für welche Marketingmaßnahme sie ihr Geld ausgeben.
Der Trend, dass die großen Händler noch größer werden, wird dadurch bestärkt, dass sich das Prinzip des Marktplatzes immer mehr durchsetzt: So hat zum Beispiel Zalando seine Onlineshopping-Plattform schon 2011 zum Marktplatz für andere Händler umgewandelt. Diese können dort ihre Waren anbieten und sich von der Bekanntheit und der Kundenreichweite Zalandos höhere Umsätze erhoffen. Im Gegenzug zahlen diese externen Händler 15 bis 20 Prozent Provision. Ein Modell, das zuvor schon Amazon zu sagenhaftem Erfolg verholfen hat und das auch bei anderen deutschen Online-Händlern wie Otto oder About You funktioniert. Zwar profitieren die Großen wie Zalando von diesem Marktplatz-Prinzip durch die Provisionen und das von den externen Händlern vergrößerte Sortiment. Gleichzeitig ergibt sich daraus aber für die Sponsoringbranche ein Problem: „Das Budget, das sonst für Werbung oder Sponsoring ausgegeben werden könnte, geht oft für die Verkaufsprovisionen bei den Marktplätzen drauf“, sagt Modemarktkenner Augustin. Somit fressen also die großen Online-Modehändler wie Zalando, die selbst nicht ins Sportsponsoring investieren, mit ihren Marktplätzen auch noch die Gelder der kleineren Händler, die vielleicht sonst ins Sponsoring zum Zwecke der Steigerung ihrer Bekanntheit und der Verbesserung ihres Images investieren würden.
Titelfoto: Website von Hugo Boss