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30. Jan. 2019

Schalke 04: Die Details zur Franchise-Lizenz im eSport

Der FC Schalke 04 bezahlt acht Millionen Euro für eine Franchise-Lizenz für das Spiel „League of Legends“ – ein beispielloses Investment eines Fußballclubs im eSport. Wie kann sich das Investment für den Fußballbundesligisten rechnen? Ein Einblick in das eSport-Geschäftsmodell des FC Schalke 04.

Als der FC Schalke 04 vor drei Jahren die Entscheidung traf, in den eSport einzusteigen, war für den Bundesligisten klar: Er macht es ganz oder gar nicht. Die Schalker gaben schließlich im Mai 2016 bekannt, dass sie das im Spiel „League of Legends“ („LoL“) erfahrene Berliner Team „Elements“ gekauft hätten. Damit waren die „Königsblauen“ der erste Bundesligist, der ein eigenes „LoL“-Team betreibt – und sind es bis heute.

Zur „LoL“-Saison 2019 gab es dann allerdings eine einschneidende Veränderung, die das mühevoll aufgebaute eSport-Konstrukt des FC Schalke 04 mächtig ins Wanken brachte: Der Publisher Riot Games wandelte sein bisheriges Liga-System in ein Franchise-Modell um, für das die zehn von Riot ausgewählten Teilnehmer fortan jeweils mindestens acht Millionen Euro als Antrittsgebühr zahlen müssen (Details siehe Infokasten: „Die neue „League of Legends European Championship“).

Die neue „League of Legends European Championship“ (LEC)

Ende November 2018 gab Riot Games das Teilnehmerfeld für seine erste europäische Franchise-Liga im eSport bekannt. Bei der neuen „League of Legends European Championship“ (LEC) sind die folgenden zehn am Start:

  1. Excel Esports (Sitz: Großbritannien, Antrittsgebühr: 10,5 Mio. €)

  2. FC Schalke 04 Esports (Deutschland, 8 Mio. €)

  3. Fnatic (Großbritannien, 8 Mio. €)

  4. G2 Esports (Deutschland, 8 Mio. €)

  5. Misfits Gaming (Großbritannien, 8 Mio. €)

  6. Origen (Spanien, 10,5 Mio. €)

  7. Rogue (USA, 10,5 Mio. €)

  8. SK Gaming (Deutschland, 10,5 Mio. €)

  9. Splyce (Deutschland, 8 Mio. €)

  10. Vitality (Frankreich, 8 Mio. €)

Als einziger Teilnehmer aus dem klassischen Sport nimmt der FC Schalke 04 teil. Die Lizenz gilt zunächst für vier Jahre bis einschließlich 2022.

Es fällt direkt auf, dass die teilnehmenden Clans unterschiedlich hohe Antrittsgebühren zahlen. Teams, die wie der FC Schalke 04 bereits in den vergangenen Jahren in der bisherigen Liga-Form an "League of Legends" teilgenommen hatten, zahlen acht Millionen Euro. Neue Teilnehmer wie SK Gaming müssen 10,5 Millionen Euro investieren. Die Gesamtsumme der Antrittsgebühren der zehn Teams beläuft sich damit auf 90 Millionen Euro.

Das Format des Franchise-Systems ist bereits aus den USA bekannt. Mit der Überführung der Liga in ein Franchise-System ist die Liga künftig geschlossen, sprich: Es sind keine Auf- oder Abstiege mehr möglich. Die Teilnehmer können entsprechend langfristig mit wirtschaftlichen Einnahmen planen. Im Zuge der Umstellung richtet zudem Riot Games einen Pool ein, der die Einnahmen aller Franchise-Teilnehmer künftig gerecht verteilen soll.

Quelle: SPONSORs

FC Schalke 04 in der LEC: Die Gründe für den Lizenz-Erwerb

Acht Millionen Euro in ein vergleichsweise neues Geschäftsfeld zu investieren, ist für jeden Bundesligisten eine Entscheidung mit großer Tragweite. Nach vielen internen Diskussionen stand für die Verantwortlichen von Schalke 04 dennoch fest, dass sie bereit sind, in die neue „League of Legends European Championship“ (LEC) zu investieren. Dafür sprachen laut Schalke unter anderem die folgenden Punkte.

  • Begrenzung auf zehn Franchise-Teams durch den Publisher Riot Games: Ein limitiertes Angebot kann sich bei steigender Nachfrage positiv auf die Werte der einzelnen Slots auswirken.

  • Strukturelle Vorteile eines Franchise-Systems in einem jungen Sport ohne feste Rahmenbedingungen wie „League of Legends“: Es gewährt Sicherheiten für die Franchise-Nehmer, denn das System ermöglicht garantierte Erlösströme und eine langfristige Planbarkeit.

  • Nationale und globale Wachstumsprognosen des eSports: Der weltweite Umsatz im eSport soll von 380 Millionen US-Dollar im Jahr 2018 auf knapp 600 Millionen Euro US-Dollar im Jahr 2020 steigen. Die weltweiten Zuschauerzahlen sollen laut diversen Studien im gleichen Zeitraum von 906 Millionen auf 1,5 Milliarden wachsen.

Ein entscheidendes Argument für den Erwerb der Franchise-Lizenz für die LEC war für den FC Schalke 04 zudem die seit 2016 getätigten Investitionen zur Integration des eSports in den Gesamtverein. Die Gelsenkirchener hatten bereits viel eigenes Know-how aufgebaut. Der Club beschäftigt mittlerweile in Festanstellung unter anderem drei Trainer, zwei Analysten sowie Scouts in der eSport-Abteilung. Hinzu kommen 18 eSportler, davon zehn für das Spiel „League of Legends“ sowie jeweils vier für die Fußballsimulationen „FIFA“ von EA Sports und „Pro Evolution Soccer“ von Konami.

Die personellen Zuwächse im eSport-Bereich machten auch Investitionen in die Infrastruktur notwendig. So richtete der FC Schalke 04, wie im eSport üblich, ein sogenanntes „Gaming-Haus“ ein, das den Spielern professionelle Trainingsbedingungen bieten soll. Das „Gaming-Haus“ der „Königsblauen“ befindet sich in Berlin. In ihm gibt es unter anderem einen Gesundheitsraum, Trainings-Equipment, ein Content-Studio, einen Streaming-Bereich und ein eigenes Social-Media-Büro. Neben der Nutzung durch die eSportler soll das „Gaming-Haus“ für Partner- und Community-Events sowie für die Produktion von digitalen Inhalten genutzt werden.

Zur weiteren Ausschöpfung des Wachstumspotenzials im Bereich eSport gründeten die „Königsblauen“ im Juni 2018 zudem die FC Schalke 04 Esports GmbH, die sich unter anderem um die Vermarktung der Teams, die Veranstaltung von eSport-Events und die Ausbildung und Förderung von (Nachwuchs-)Spielern kümmern soll. Geschäftsführer der FC Schalke 04 Esports GmbH sind Claudio Kasper (Leiter Konzerncontrolling/Corporate Finance der Schalker) und Tim Reichert, der seit Oktober 2017 auch als Chief Gaming Officer beim Bundesligisten tätig ist und zuvor im Mai 2016 als Head of eSport zu S04 gekommen war.

Mit der Gründung der ausgegliederten Esports GmbH grenzten sich die Schalker aber auch von den Aktivitäten und Grundsätzen des Gesamtvereins (e. V.) ab. Die „Königsblauen“ positionieren sich damit, anders als im Kerngeschäft Profifußball, betont offen für strategische Investoren, die den Weg des Bundesligisten im eSport finanziell begleiten wollen.

Mit diesen strukturellen Grundüberlegungen und Investitionen reichten die Schalker schließlich im Sommer 2018 ihre LEC-Bewerbung mit über 100 Seiten beim Publisher Riot Games ein. Doch wie sieht das konkrete Geschäftsmodell dahinter aus?

„League of Legends“: Das LEC-Geschäftsmodell von Riot Games

Im Grundsatz funktioniert das Franchise-Modell der LEC wie folgt: Die zentralen, von Riot Games erzielten Einnahmen der Liga (Medien- und Sponsoringerlöse) landen in einem Gesamttopf (siehe auch Schaubild unten: „Geld- und Erlösverteilung in der League of Legends European Championship“). In diesen Topf fließen zudem 50 Prozent aus sogenannten „Domestic Digital Goods Profits“. Dahinter verbergen sich spieleigene digitale Gegenstände, die Riot Games an Zuschauer verkauft – zum Beispiel kosmetische Veränderungen der Spielfiguren wie etwa eine S04-Spielrobe. Die anderen 50 Prozent dieser digitalen Vermarktungsinhalte gehen von Riot Games direkt an die zehn Teams.

Kommen wir nun zur Verteilung des zentralen Vermarktungstopfs: 50 Prozent werden von Riot Games einbehalten, die anderen 50 Prozent werden zu gleichen Teilen an die zehn Franchise-Nehmer ausgeschüttet. Die Teams müssen davon allerdings 35 Prozent direkt an ihre Spieler weitergeben.

Wie hoch die zentralen Vermarktungseinnahmen über Sponsoring und Medienrechte der LEC im Premierenjahr sind, ist genauso schwer einzuschätzen wie die Höhe der „Domestic Digital Goods Profits“. Als Indikator für die ungefähre Höhe der Sponsoringerlöse kann allerdings angeführt werden, dass große LEC-Pakete, wie die kürzlich abgeschlossenen von Kia Motors und Shell, jährlich sogar in die Richtung eines siebenstelligen Euro-Betrags gehen sollen.

Es folgt an dieser Stelle eine Beispielrechnung mit SPONSORs-Schätzwerten, um das Verteilungssystem besser zu verstehen.

Angenommen, dass sich im zentralen Vermarktungstopf zehn Millionen Euro befinden. Von dieser Summe würde Riot Games wie beschrieben 50 Prozent einbehalten, also fünf Millionen Euro. Die anderen fünf Millionen Euro würden an die zehn Teams ausgeschüttet. Jeder der zehn Franchise-Nehmer würde demzufolge500 000 Euro aus der zentralen Vermarktung von Riot Games erhalten. Davon würden die Teams 325 000 Euro behalten (65 Prozent des Team-Shares), während 175 000 Euro an die Spieler gingen (35 Prozent des Team-Shares).

Umsatzpotenzial durch Eigenvermarktung

Zusätzlich zu den zentral verteilten Einnahmen durch Riot Games haben die zehn teilnehmenden Teams als Franchise-Nehmer der LEC viele Freiheiten bei der Eigenvermarktung. So präsentierte der FC Schalke 04 Mitte Januar mit der R+V Versicherung einen Haupt- und Trikotsponsor für seine eSport-Teams. Das Engagement umfasst alle drei Spieletitel, bei denen die Schalker aktiv sind: neben „League of Legends“ auch „FIFA“ und „Pro Evolution Soccer“.

Neben der Logopräsenz auf der Spielkleidung der eSportler ist R+V unter anderem auch Namensgeber des S04-„Gaming-Hauses“ in Berlin. Der Vertrag mit dem genossenschaftlichen Versicherer hat eine Laufzeit von vier Jahren bis zum 31. Dezember 2022 und bringt den „Königsblauen“ nach SPONSORs-Informationen jährlich etwa 500 000 Euro ein. Es ist damit die werthaltigste Partnerschaft, die der Club bisher für seine eSport-Abteilung abgeschlossen hat.

Zu den weiteren non-endemischen Partnern von FC Schalke 04 Esports zählen zum einen die bisherigen Bestandspartner AOK Nordwest und Umbro und zum anderen neu hinzugewonnene Sponsoren wie das Telekommunikationsunternehmen Deutsche Glasfaser, der Energydrink-Hersteller Effect oder die Huawei-Marke Honor. Die kumulierte Rechtesumme aller endemischen und non-endemischen eSport-Partnerschaften des FC Schalke 04 dürfte mittlerweile bei rund 1,8 Millionen Euro liegen – Tendenz steigend.

Zudem könnte die Zentralvermarktung von Riot Games weitere Sponsoring-Umsatzpotenziale für die einzelnen Clubs wie Schalke 04 bieten. So haben neue Liga-Partner der LEC wie der Automobilhersteller Kia Motors bereits zum Start ihrer Kooperation bekannt gegeben, auch Partnerschaften mit einzelnen Teams eingehen zu wollen. Und der FC Schalke 04 hat seit dem Ausstieg von Volkswagen nach der Saison 2015/16 bisher keinen neuen Automobilpartner für seine Bundesliga-Mannschaft akquirieren können.

Inwiefern Franchise-Nehmer wie der FC Schalke 04 konkret zentral vermarktete Partner ins eigene (eSport-)Sponsoring-Portfolio überführen können, bleibt abzuwarten. Unabhängig davon ist aber davon auszugehen, dass die Partnervermarktung der neuen Liga künftig noch mehr Geld in den LEC-Kreislauf bringen wird, als es in der Premierensaison der Fall ist. Denn bisher werben mit Kia Motors, Foot Locker und Shell nur drei non-endemische Marken in der LEC. Die Vermarktung, die Riot Games in Kooperation mit Lagardère Sports umsetzt, dürfte damit noch längst nicht abgeschlossen sein. Darüber hinaus rechnen alle Beteiligten mit deutlichen Steigerungen von vermarktungsrelevanten KPIs wie etwa den Stadion-Zuschauerzahlen oder den Medienreichweiten, wenn sich die LEC in den kommenden Jahren etabliert hat.

eSport-Pläne: Der FC Schalke 04 hat noch viel vor

Für den FC Schalke 04 ist der Erwerb der Franchise-Lizenz ein klares Bekenntnis zum eSport. Und die „Knappen“ haben im eSport sogar noch weitaus mehr vor, wie Marketingvorstand Alexander Jobst gegenüber SPONSORs sagt. „Wir wollen nicht nur als ‚First Mover’ zu einem entscheidenden Player im europäischen eSport werden. Wir verfolgen vielmehr eine langfristige Vision: Der FC Schalke 04 will sportlich, emotional und wirtschaftlich zu den global führenden eSport-Organisationen zählen.“

Obwohl die Schalker unter den Fußballbundesligisten vergleichsweise sehr offensiv im eSport auftreten, stehen sie mit ihren ambitionierten Ansprüchen insgesamt noch ziemlich am Anfang ihrer Aktivitäten. So gibt es noch diverse ungenutzte Potenziale: Bisher fanden beispielsweise noch keine eSport-Events in der Gelsenkirchener Veltins-Arena statt. Zudem gibt es für den Club noch viele Möglichkeiten zur Diversifizierung des eSport-Portfolios, zum Beispiel durch die Hinzunahme weiterer Spieletitel neben „League of Legends“, „FIFA“ und „Pro Evolution Soccer“.

Eine Grundlage für weiteres Wachstum könnte darüber hinaus – analog zum Kerngeschäft Profifußball – die Etablierung einer eSport-Nachwuchsakademie schaffen. Und zu guter Letzt hat der Club die Plattform eSport bisher noch nicht vollständig in seine Auslandsvermarktung integriert. Vor allem der Gaming-fanatische asiatische Markt könnte hierbei Monetarisierungsmöglichkeiten bieten.

Acht Millionen Euro für eine Franchise-Lizenz für die „League of Legends European Championship“ auszugeben, bedeutet für den FC Schalke 04 immer noch eine erhebliche Investition. Aber diese ist zugleich nur der Beginn eines langfristigen Plans. Wenn der Bundesligist diesen konsequent umsetzt – und die positiven Prognosen für die Entwicklung des Gesamtmarktes Wirklichkeit werden –, könnte es auf lange Sicht betrachtet eher „kleines Geld“ gewesen sein.

Foto: Schalke 04

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