SPONSORs: Herr Görlich, der Spitzensport ist bislang nicht unbedingt dafür bekannt, besonders nachhaltig zu agieren: Trainingslager finden im Ausland statt, gereist wird oft mit dem Flugzeug und an Spieltagen bleiben in vielen Stadien große Müllberge zurück. Ist das Thema Nachhaltigkeit für den Profisport nicht wichtig genug?
Görlich: Gerade in dieser Hinsicht ist in der Fußball-Bundesliga zuletzt einiges passiert. Aber natürlich gibt es noch Luft nach oben. Wir müssen als Liga die Wertigkeit von Themen wie gesellschaftliche Verantwortung, Nachhaltigkeit, Umwelt- oder Klimaschutz noch viel deutlicher zur Geltung bringen und entsprechend kommunizieren.
SPONSORs: Wird die Corona-Krise dafür sorgen, dass es hier ein Umdenken gibt?
Görlich: Meist ziehen Krisen erhebliche Veränderungen nach sich. Dazu kommt, dass man sich aktuell mehr mit sich selbst auseinandersetzt und auch mehr reflektiert. Ich glaube, dass sich das Sportbusiness die Frage stellen muss: Will ich Sand oder Samen bei diesen Themen sein? Ich plädiere für Letzteres, weil wir so viele Möglichkeiten haben die Themen gesellschaftliche Verantwortung und nachhaltiges Handeln nach vorne zu bringen. Ich sehe auf jeden Fall eine große Bereitschaft in unserer Branche, darüber zu diskutieren und auch voneinander zu lernen.
SPONSORs: Sehen Sie die TSG Hoffenheim denn als Vorreiter in der Bundesliga beim Thema Nachhaltigkeit?
Görlich: Es wäre vermessen, das zu behaupten. Wir haben den Vorteil, dass wir ein relativ junger Club in der Bundesliga sind und dadurch einen Großteil unserer Infrastruktur – auch auf diesen Feldern – neu aufgebaut haben. Wir haben vor rund zwei Jahren unter unserem Leitmotiv ,TSG ist Bewegung‘ innerhalb unserer Organisation ein eigenes Betriebssystem für Veränderungen und Innovationen geschaffen. Der entscheidende Schritt ist dabei, dass diese Strategie nun systematisch in unsere Wertschöpfungsebenen und somit auch in die Vermarktungskonzeption einfließt – als sogenannter ,Common-Value-Ansatz‘.
SPONSORs: Wie kam es dazu?
Görlich: Uns war früh klar: Wir müssen die Themen der Zukunft ernst nehmen, um den Erfolg unserer Organisation dauerhaft zu sichern. Dabei geht es gar nicht zwingend darum der Erste zu sein. Wir wollen Inhalte anbieten, die uns interessant für Fans, Kunden, Partner und alle anderen Stakeholder machen. Wenn wir gesellschaftlichen Nutzen und die Entwicklung des Clubs miteinander verbinden, entwickeln wir Nachhaltigkeit im Kerngeschäft.
Wertstoffmanagement mit Partner Prezero greifbar machen: „Ökologisches Denken erfordert innovative Handlungen.“ (Foto: TSG Hoffenheim)
SPONSORs: Auf dem Papier sind die fünf zentralen Handlungsfeldern von ,TSG ist Bewegung‘ relativ inhomogen: Innovation, Mitarbeiter und Spieler, Jungend und Fans, Ökologie und Afrika. Wie passt das zusammen?
Görlich: Die Handlungsfelder erfüllen für uns drei Eigenschaften: Sie sind zu verstehen, handzuhaben und bedeutsam. Wir haben bereits vor einigen Jahren das Ziel formuliert, eine innovative Fußball-Familie sein zu wollen. Unser Fokus liegt dabei weiter klar auf dem Sport. Innovation schafft aber erhebliche Mehrwerte in unserem Kerngeschäft. Ökologisches Denken wiederum erfordert innovative Handlungen. Beispielsweise sammeln wir heute unseren Grünschnitt im Stadion und stellen daraus gemeinsam mit unserem Partner Prezero Graspapier her, das wir unter anderem für Tickets und Autogrammkarten nutzen.
SPONSORs: Wie passt das Handlungsfeld „Afrika“ in das Konzept?
Görlich: Nach Afrika gibt es für die TSG bereits eine jahrelange Verbindung. Diese wurde zuletzt ausgebaut, indem wir unter anderem das Vorhaben des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) ,Sport für Entwicklung‘ mit Fußballcamps in Namibia und einer Kombination von Sport- und Umweltbildung unterstützen. Uns war aber von Anfang an wichtig, dass wir uns nicht nur in der Region engagieren, sondern einen Schritt weiterdenken und dabei auch innovativ und ökologisch auftreten wollen.
SPONSORs: Wie kann das gelingen?
Görlich: Wir haben zum Beispiel mit ,Umoja‘ eine eigene Lifestyle-Marke mit sozialer und ökologischer Wirkung geschaffen. Die Produkte werden zu 100 Prozent in Uganda hergestellt, dadurch bleibt ein Großteil der Wertschöpfung im Land. Um wirklich eine nachhaltige Entwicklung in Afrika zu unterstützen, schaffen wir als Bundesligist über unsere Plattformen und Netzwerke einen Marktzugang für Produkte, bei denen die Wertschöpfung weitgehend vor Ort bleibt und nicht nur Rohstoffe exportiert werden. Im Rahmen der ,Allianz für Entwicklung und Klima‘ des BMZ kompensieren wir über ein Aufforstungsprojekt in Uganda übrigens auch den bisher nicht vermeidbaren CO2-Fußabdruck der TSG Hoffenheim und die Reisetätigkeiten inklusive der des Gegners in der Liga und in Europa.
Lifestyle-Marke ‚Umoja‘: „Großteil der Wertschöpfung bleibt im Land.“ (Foto: Seiffert / TSG Hoffenheim)
SPONSORs: Alle Aktivitäten der TSG Hoffenheim wurden in den vergangenen Monaten auf die Zukunftsinitiative ausgerichtet. Wie ist das Thema strukturell aufgehängt im Klub?
Görlich: Ich bin überzeugt davon, dass wir eine solche Strategie und ein Leitmotiv nie isoliert betrachten sollten und solch zentralen Thema etwa alleine in die Verantwortlichkeit einer Person legen dürfen. Es ist auch ganz entscheidend, dass das Management eines Clubs ein solches Thema nicht für seine eigene Hybris nutzt, sondern in die Breite des gesamten Vereins trägt. Die Belegschaft muss überzeugt werden und eine solche Zukunftsstrategie mit Leben füllen, damit sie funktioniert.
SPONSORs: Hat das in Hoffenheim geklappt?
Görlich: Uns war von Anfang an klar, dass wir unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter individuell mitnehmen müssen. Im ersten Schritt haben wir die einzelnen Themenfelder sofort dem gesamten Team zur Verfügung gestellt. Dazu sind wir frühzeitig in Arbeitsgruppen gegangen. Stefan Wagner, der das Thema in der Stabsstelle Unternehmensentwicklung betreut, diente als Moderator und hat nicht nur die Hintergründe erklärt, sondern auch die Chancen für jeden einzelnen Mitarbeiter und den gesamten Club aufgezeigt.
SPONSORs: Große Chancen sehen Sie in dem Thema auch für die Vermarktung der TSG. Basierend auf der These ,Nachhaltiges Sponsoring wirkt mehr‘ soll das gesamte Sponsoring neu aufgestellt werden. Mit welchem Ziel?
Görlich: Dazu ist es notwendig, Nachhaltigkeit nicht nur aus dem ökologischen Kontext zu betrachten, sondern auch in dem Sinne: Was muss ich heute tun, um in fünf Jahren noch erfolgreich zu sein? Nachhaltigkeit hat nichts mit reinem Verzicht zu tun. Uns geht es nach wie vor darum, Geld zu verdienen. Wir glauben jedoch, dass es künftig mehr denn je auf die Inhalte eines Sponsorships ankommt als auf die reine Reichweite. Die inhaltliche Ausgestaltung orientiert sich wiederum an Themen, die gesellschaftlich relevant sind. Nur das erzeugt Beteiligung.
SPONSORs: Gibt es künftig keine ‚normalen‘ Bandenpakete in Hoffenheim mehr zu kaufen?
Görlich: Ich glaube zumindest fest daran, dass wir in den nächsten Jahren immer weniger ,klassische‘ Bandenpakete verkaufen werden. Stattdessen werden wir auf ,Customizing‘ setzen. Ein zukunftsfähiges Sponsoring ist keine Stangenware, sondern das Ergebnis von persönlichem Einsatz aller Beteiligten. Und hier gibt bei uns der ,Common Value‘ künftig eine Bandbreite von Möglichkeiten weit über die reine Reichweite hinaus.
SPONSORs: Sie haben bereits mit einem Großteil der Partner über das neue Konzept gesprochen. Wie reagieren die?
Görlich: Die bisherige Resonanz ist sehr gut. Ich bin der festen Meinung, dass dieser Ansatz nicht nur die TSG nach vorne bringen wird, sondern die ganze Sportbranche.
SPONSORs: Grundlage für die Ausrichtung ihres Sponsorings auf einen gesellschaftlichen Nutzen war eine Studie, die gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Sustainable Business der Universität Mannheim durchgeführt wurde. Was waren die wichtigsten Ergebnisse?
Görlich: Unsere Hypothese ,Nachhaltiges Sponsoring wirkt mehr‘ hat sich eindeutig bestätigt. Es konnte gezeigt werden, dass das Verhalten von Fußballinteressierten gegenüber einem Sponsor bei einer Kombination aus Sponsoreneinbindung und nachhaltigem Engagement deutlich positiver wahrgenommen wird als bei einem klassischen Sponsoring. Die Schaffung eines gesellschaftlichen Nutzens verstärkt die Reichweite einer Partnerschaft quantitativ und qualitativ und ist somit wertsteigernd – für den Partner, den Club und die Gesellschaft.
SPONSORs: Welche Vorteile sind noch mit der Neuausrichtung der Vermarktung verbunden?
Görlich: Ein gutes Beispiel ist die – gerade in der jetzigen Phase – noch stärker formulierte Forderung nach digitalen Vermarktungsmöglichkeiten. Ein reines Kopieren von bisherigen Aktivierungen in die digitale Welt erweist sich als schwierig und nicht wirklich nachhaltig. Die digitale Ansprache sollte individualisierter sein und es sollte nicht nur ein Banner eingespielt werden. Der Inhalt hält die Adressaten beim Thema und nicht die Aufmachung. Wir bekommen mit unserem Modell nun eine noch größere inhaltliche Tiefe, die – trotz einer eventuellen subtileren Darstellung von Logo-Präsenzen im Stadion – am Ende für mehr Reichweite der Marke sorgen wird.
SPONSORs: Gibt es hierfür Belege, oder ist das graue Theorie?
Görlich: Nehmen sie die Partnerschaft mit unserem Naming-Right-Sponsor Prezero. Das Unternehmen ist sehr stark auf eine klassische B2B-Kommunikation ausgerichtet. Viele große Unternehmen scheitern regelmäßig an einem nachhaltigen Wertstoffmanagement, etwa wenn ihre Belegschaft nicht mitmacht. Hier konnten wir über unsere digitalen Plattformen gemeinsam mit unserem Partner das Thema Wertstoffmanagement positiv aufladen und den Nutzen für alle greifbar machen. Die Bandbreite der Themen reicht dabei von CO2-Reduktion über die Erarbeitung von Reiserichtlinien und Mobilitätskonzepten bis hin zur Etablierung von Mehrwegsystemen.
SPONSORs: Prezero ist in dieser Hinsicht ein dankbarer Partner, da sich naheliegende Geschichten hinsichtlich der Nachhaltigkeit stricken lassen. Wie gelingt es Ihnen, dieses Thema glaubwürdig in die Kommunikation von Unternehmen einzuarbeiten, die nicht so viele Anknüpfungspunkte bieten?
Görlich: Wir schauen uns nicht nur den Partner und dessen Produkte an, sondern auch das Ökosystem, in dem er agiert. Nehmen sie unseren Automobilpartner Audi, der ein Ökosystem hat, das vom Batterie- bis zum Lederhersteller reicht. Diese Unternehmen eint das gleiche Problem: Ihr Handeln führt dazu, dass Ressourcen verbraucht werden. Als TSG gehen wir in diesen Ökokreislauf hinein und sagen: Nutzt unsere Reichweite und unsere gesellschaftliche Stellung, um zu zeigen, dass ihr dennoch nachhaltig agiert und Verantwortung übernehmt.
Steigerung der Sponsoring-Erlöse als Ziel: „Wir wollen sicher nicht in Schönheit sterben.“ (Foto: imago images / Jan Huebner)
SPONSORs: Grundlage einer künftigen Zusammenarbeit im Sponsoring mit der TSG dürfte eine gemeinsame Haltung und eine darauf abgestimmte inhaltliche Ausrichtung eines Engagements sein. Welche Auswirkungen hat das auf die Auswahl künftiger Partner?
Görlich: Natürlich fragen wir uns ganz genau: Wer passt zu uns? Wie ist der Markenfit? Manchmal kommen wir dann vielleicht auch zu dem Ergebnis: Es passt aktuell nicht. Wir wollen sicher nicht in Schönheit sterben, ich bin aber fest davon überzeugt, dass sowohl wir als auch unsere Partner mit unserem nachhaltigen Sponsoring-Ansatz am Ende deutlich besser dastehen als vorher.
SPONSORs: Geht es genauer? Zuletzt lagen die Sponsoringerlöse der TSG knapp über 20 Millionen Euro. Welche Steigerung wird angestrebt?
Görlich: Wir haben im Sponsoring bereits in den vergangenen fünf Jahren eine gute Entwicklung hingelegt. Egal was wir tun bei der TSG, sei es das Thema ‚Common Value‘ oder unsere Innovations- und Digitalisierungsstrategie, geht es neben einer qualitativen Erweiterung immer auch um eine quantitative Steigerung. Den sich daraus ergebenden Profit wollen wir aber nicht nur in unser Kerngeschäft investieren, sondern er wirkt auch für einen gesellschaftlichen Nutzen.
SPONSORs: Wieviel Geld wird das sein?
Görlich: Es geht nicht um eine Summe X für irgendein Projekt, sondern darum, wie man gemeinsam gesellschaftliche Wirkung, Teilhabe oder einen bestimmten Mehrwert erzeugt. Ich kann sagen, dass wir als TSG unseren Markenkern – Innovation und Verantwortung –immer mit vollem Einsatz und nachhaltig leben werden.
SPONSORs: Herr Görlich, vielen Dank für das Gespräch.
Titelfoto: TSG Hoffenheim