Wie Amazon die digitale Transformation des Sports vorantreibt
Von Cloud bis KI: Amazon Web Services (AWS) hat sich in den letzten Jahren vielerorts als treibende Kraft der digitalen Transformation des globalen Profisports bewiesen. SPOBIS blickt mit Sportchefin Julie Souza auf die Best Practices.
Durch innovative Technologien in den Bereichen Künstliche Intelligenz (KI) und Machine Learning (ML) revolutioniert Amazon derzeit verschiedene Disziplinen internationaler Sportorganisationen aus den USA und Europa. Zu den Partnern von Amazon Web Services zählen beispielsweise die Deutsche Fußball Liga (DFL), die Formel 1, die National Football League (NFL) und die National Hockey League (NHL).
AWS senkt Verletzungsquoten im Profisport
Dass Amazon im Sport eine immer größere Rolle einnimmt, ergibt sich auf Basis der vielen digitalen Anknüpfungspunkte fast von selbst. Julie Souza, Head of Global Sports von AWS, erklärt gegenüber SPOBIS: „Bei AWS setzen wir auf einen rückgekoppelten Prozess zur Identifikation von Business Cases. Im Sport gibt es eine große verfügbare Datenmenge, die in verschiedenen Anwendungsbereichen zum Tragen kommt – beispielsweise in Disziplinen wie Scouting, Fan-Engagement oder Gesundheitsprävention. Neben dem Sport trifft dies ebenso auf andere Industrien zu, in denen wir unseren Kunden dabei helfen, ihre Technologien zu verbessern und festgelegte Ziele zu erreichen.“
Für das Tätigkeitsfeld der Gesundheitsprävention nennt die leitende Sport-Verantwortliche bei Amazon ein Beispiel aus der Partnerschaft mit der NFL. Dabei geht es um den Einsatz von 3D-gestützten Analysetools zur Identifikation potenzieller Gesundheitsrisiken für die Athleten. AWS untersucht in diesem Bereich unter anderem die körperlichen Kontaktpunkte der einzelnen Football-Spieler.
Diese Form der Datenerfassung resultierte zuletzt in der Produktion von positionsspezifischen Helmen, die das Verletzungsrisiko bei einem Aufprall mit den Gegenspielern minimieren sollen. Dank der modifizierten Spielerausrüstung konnte die Anzahl der Gehirnerschütterungen bei den NFL-Profis laut Souza um etwa 25 Prozent gesenkt werden.
Formel 1: Amazon revolutioniert den Rennwagen
Auch in der Formel 1 gibt es spezifische Anforderungsbereiche, für die Amazon individuelle Lösungen bietet. Die Motorsport-Rennserie nutzt Cloud-Technologien von AWS, um umfangreiche Daten von über 300 Sensoren pro Rennwagen in Echtzeit zu analysieren. Dies umfasst unter anderem die Analyse von Aerodynamik, Fahrzeugleistung und Fahrstrategien. Die durch AWS bereitgestellten Analysen helfen den Teams, ihre Fahrzeuge zu optimieren und Rennen spannender zu gestalten.
Bereits 2019 führten umfassende Datenanalysen von AWS im Bereich der Fahrzeug-Aerodynamik zu einer Anpassung der Rennwagenmodelle. Auf Basis der 500 Millionen untersuchten Datenpunkte wurden unter anderem Anpassungen am Frontflügel, am Heck-Layout sowie an den Reifen vorgenommen, um eine bessere Aerodynamik in engen Rennsituationen zu ermöglichen. Für Pat Symonds, den Chief Technical Officer (CTO) der Formel 1, markierte dieses Projekt eine der revolutionärsten Innovationen in der Rennwagen-Geschichte.
Das erneuerte Rennwagenmodell wurde 2022 erstmals eingesetzt und führte dazu, dass die Anzahl der Überholungen um 30 Prozent gesteigert werden konnte. Das ist darauf zurückzuführen, dass der Abtrieb von den Fahrern aus dem Windschatten von 50 Prozent auf etwa 15 Prozent gesenkt wurde. Ein gelungenes Beispiel dafür, dass Produktinnovationen im Sport in einem spannenderen Wettbewerb für die Fans resultieren können.
DFL: Mit AWS zu zukunftsfähigem Streaming-Modell?
Die Partnerschaft zwischen der DFL und AWS besteht offiziell seit 2020. Im März 2024 wurde die bestehende Partnerschaft langfristig verlängert und ausgeweitet. Als offizieller Technologie-Provider der DFL ist AWS nun für eine Vielzahl von neuen Projekten zuständig, die sich auf die Bereiche Fan Experience, Media Production und Data Services fokussieren.
Bislang wurden die AWS-Technologien in der Bundesliga hauptsächlich genutzt, um Echtzeit-Statistiken in die Live-Übertragung einzubinden. Dazu gehören neben allgemeinen Spielstatistiken auch umfangreiche Spieler- und Taktikanalysen, die auf Basis von KI-Technologien in Sekundenschnelle aktualisiert werden. Des Weiteren wurde das Bewegtbildarchiv der DFL Media Hub für eine verbesserte Auffindbarkeit von Inhalten modernisiert und eine Personalisierung der Bundesliga-App vorangetrieben.
In der Übertragung und Aufbereitung von Sportinhalten könnte Amazon in Zukunft eine noch größere Rolle einnehmen. Julie Souza ist der Meinung, dass viele Formen der heutigen Sportübertragung sowohl aus (kosten)technischer als auch aus ökologischer Sicht bereits überholt sind und fügt dazu an: „Große Übertragungsfahrzeuge werden bald nicht mehr nötig sein, um eine umfassende Sportübertragung zu ermöglichen. Die Nutzung von Cloud-Technologien resultiert in kosteneffizienten und nachhaltigen Übertragungswegen, die jederzeit flexibel angepasst und skaliert werden können.“ Ein Konzept, das der DFL bei der geplanten OTT-Strategie zur digitalen Live-Übertragung von Bundesliga-Partien zugutekommen könnte.
Eine umfassende Zusammenarbeit mit AWS im Streaming-Bereich wäre für die DFL aufgrund der bereits bestehenden Partnerschaft wohl mit erheblichen Kosteneinsparungen verbunden. Zudem beweist AWS bereits in Zusammenarbeit mit der NHL, wie ein solches Konzept funktionieren kann.
Cloud-Produktion ermöglicht neue Formen der Sportübertragung
Die NHL hat als erste große Sportliga in den USA ein offizielles Spiel vollständig über eine AWS-Cloud produziert und ausgestrahlt. Das ermöglicht ein kosteneffizientes und facettenreiches Angebot von parallellaufenden Streams, die unter anderem länderspezifische Werbe- und Statistik-Einblendungen beinhalten.
Zusätzlich nutzt die NHL die Cloud-Produktion zur Bereitstellung von animierten Live-Inhalten für Kinder, die in der Form eines Cartoons ausgespielt werden. Die Eishockey-Profis erscheinen dann beispielsweise in der Gestalt verschiedener Disney-Charaktere, die bei den Kindern besonders beliebt sind.
Die animierte (Live-)Cartoon-Serie konnte das Durchschnittsalter der Zuschauer innerhalb der NHL um rund 20 Jahre senken. Gleichzeitig sorgte dieses Format nach offiziellen Aussagen dafür, dass die National Hockey League heute einen deutlich erhöhten Anteil an weiblichen Zuschauern verzeichnet.
Mit Streaming zu neuen Aktivierungspotenzialen
Im Vergleich zum linearen Fernsehen ermöglichen Streaming-Formate laut Souza „eine simultane Produktion variabler Bewegtbildinhalte für unterschiedliche Zielgruppen. Das führt zu einer personalisierten Ansprache der Fans und steigert deren Interaktionslevel.“ Im Sinne einer D2C-Strategie (Direct-to-Consumer) steht beim Streaming also ein direkter und nahbarer Austausch zwischen Plattformbetreibern (Rechtehaltern) und Zuschauern (Fans) im Vordergrund.
Diese Technologien bietet AWS im Sport
Automatisiertes Datenmanagement nach aktuellen KI- und ML-Standards
Digitale Produkterweiterungen für ein gesteigertes Fan-Engagement
„Next-Gen-Broadcasting“ für eine cloud-basierte Übertragung von Live-Events
3D-gestützte Tools zur detaillierten Leistungsanalyse der Sportler
IT-Lösungen für ein effizientes Management von „Smart Venues“
Darüber hinaus eignen sich selbst produzierte Streaming-Formate, um die eigenen Zielgruppen besser kennenzulernen. Bleiben die digitalen Übertragungswege beispielsweise in der Hand einer Sportliga, kann diese für jeden einzelnen Stream eine große Menge an frei zugänglichen Fan-Daten generieren. Diese Daten können im Anschluss für eine umfassende Analyse des Zuschauerverhaltens sowie eine nachgelagerte Umsetzung von individuellen Kundenbindungsmaßnahmen und App-Benachrichtigungen genutzt werden.
Fokussiert sich auf tagesaktuelle Themen der Sportbranche, die ihren Platz im SPOBIS-Newsletter finden. Neben abgeschlossenen Studien im Sport- und Digitalmanagement, ist er zudem berufserfahren im Marktforschungswesen. Privat begeistert er sich enorm für den Fußball, doch auch Randsportarten werden aktiv und passiv mit großem Interesse verfolgt.