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24. Sep. 2024

Weiter kaum Frauen in Spitzenpositionen im deutschen Profifußball

Eine aktuelle Erhebung von „Fußball kann mehr“ zeigt: Deutsche Fußballclubs sind im Topmanagement weniger divers als Wirtschaftsunternehmen. Von 84 Positionen in Führungsetagen deutscher Erst- und Zweitligisten sind nur sechs an Frauen vergeben.

„Lage der Liga“ heißt der Bericht, den die gemeinnützige GmbH „Fußball kann mehr“ in ihrem aktuellen Jahresbericht erstellt hat. Vorbild sind die Befragungen der deutsch-schwedischen AllBright-Stiftung, die erhebt und in Ranglisten festhält, wie viele Frauen in führenden Positionen bei im DAX notierten Unternehmen arbeiten. 32 der 36 Erst- und Zweitliga-Clubs der Saison 2023/24 haben bei der Befragung im Mai und Juni 2024 mitgemacht. Nicht teilgenommen haben Bayer 04 Leverkusen, der SV Darmstadt 98, Holstein Kiel und der SV Wehen Wiesbaden.  

Die Lage der Liga ist diese: Von 32 Clubs hatten 28 im Erhebungszeitraum keine Frau im Top-Management, in der hauptamtlich operativen Führungsebene. In 15 Clubs blieben im Kontrollgremium, das für die Ernennung und Entlassung des Top-Managements zuständig ist, Männer unter sich. In 16 Clubs waren die Aufsichtsratsposten ausschließlich von Männern besetzt. Und in fünf Vereinen, die an der Befragung teilgenommen haben, sind auch in Führungspositionen, die direkt an das Top-Management berichten („Direct Reports“), keine Frauen angestellt. 

Die Lage der Liga erscheint – unabhängig vom Geschlecht – auch in anderen Fragen wenig divers. Der Bericht zeigt, dass nur 4 von 84 Personen im Top-Management eine andere als die deutsche Staatsbürgerschaft haben. Das Fehlen internationaler Biografien in einer Branche, die in vielen Teilen der Welt nach neuen Handlungsfeldern, Sponsoren und Kooperationen sucht, sei laut Analyse eine zusätzliche vergebene Chance. Internationale Biografien seien mit 4,7 Prozent noch seltener als Frauen (7,1 Prozent) im Management zu finden.

Die Führungsgremien im deutschen Profifußball sind damit laut Erhebung weiterhin homogen männlich, deutsch, mit ähnlicher Altersstruktur und vergleichbarem Bildungsweg. Im Schnitt sind Top-Manager eines Bundesliga-Clubs männlich, 50 Jahre alt, seit mehr als zehn Jahren im Verein tätig, haben ein wirtschaftswissenschaftliches Studium abgeschlossen und stammen aus dem Westen oder Süden Deutschlands.

Führung bei Hannover 96 und Karlsruher SC reine Männersache

Wiebke Andersen, die Co-Geschäftsführerin der AllBright-Stiftung, wird in dem Bericht zitiert: „Die deutschen Unternehmen liegen im internationalen Vergleich beim Thema Chancengleichheit und Diversität in der Führung schon weit zurück, aber die Fußballbranche steht noch mal deutlich krasser da.“ Männer, die sich nur von Männern berichten lassen und sich ihr Wirken von Männern absegnen lassen, auch das gab es in der abgelaufenen Saison im deutschen Profi-Fußball: in Hannover und Karlsruhe. Und in vielen deutschen Profi-Clubs sieht es nur wenig besser aus.

Bei ihrer Gründung hatte die FKM-Initiative bis 2024 eine Quote von mehr als 30 Prozent Frauen in Aufsichtsräten, Präsidien, Vorständen und Geschäftsführungen gefordert. Zudem die Besetzung jedes Vorstands, jeder Geschäftsführung mit mindestens einer Frau und die paritätische Besetzung der zweiten Führungsebene, also in etwa zur Hälfte mit Frauen. Die Welt des deutschen Profifußballs, die Welt der Fußball-Entscheider im Jahr 2024 sieht allerdings nach wie vor anders aus.

Auch wenn laut Analyse eine Entwicklung stattfindet, immer mehr Clubs die Veränderungsnotwendigkeit erkennen und viele Organisationen einen wachsenden Frauenanteil aufweisen, sei die Durchlässigkeit in die Entscheidungsgremien noch immer gering. Der Report identifiziert unter anderem flexible Arbeitsmodelle und eine professionelle Personalarbeit mit transparenten Bewertungskriterien und zeitgemäßen Rahmenbedingungen als Voraussetzung, die Karrierechancen von Frauen im Fußball zu erhöhen. Da diese bei vielen Clubs bislang fehlen würden, sei insbesondere der Zugewinn von Frauen aus anderen Branchen schwierig. 63 Prozent der Top-Manager waren zuvor bereits für ihren Club hauptamtlich aktiv. Der interne Karriereweg ist damit verbreiteter, als die höchste operative Führungsebene mit externen Kräften zu besetzen.

Dabei biete der sprichwörtlich „schnelllebige“ Fußball laut Analyse, mehr noch als andere Branchen, immer wieder zahlreiche Aufstiegschancen. 47 der 84 Positionen im Top-Management, über die die Clubs für den Bericht Auskunft gaben, seien in den vergangenen fünf Jahren neu besetzt worden. 78 dieser Positionen sind heute aber noch immer von Männern besetzt. In Dax-40-Unternehmen, zitiert der Bericht den Stand von Januar 2023, seien bei Neubesetzungen indes 50 Prozent der Stellen mit Frauen besetzt worden.

Der wichtigste Veränderungstreiber sei laut Studie die Überzeugung der Entscheider in den Aufsichtsräten und Vorständen. Dass eben dort das Bewusstsein für den Gewinn durch verschiedene Perspektiven noch immer nicht ausreichend vorhanden sei, zeige sich darin, dass Chancen bei Personalentscheidungen nicht genutzt werden. So wurden etwa dreißig Vorstands- und Geschäftsführungspositionen zwischen 2018 und 2023 in den ersten beiden Ligen neu besetzt, nur zehn Prozent davon mit Frauen.

Eine Aufsichtsratsvorsitzende gibt es nur bei zwei Clubs. Sandra Schwedler ist bereits seit fast zehn Jahren Aufsichtsratsvorsitzende des FC St. Pauli. Neben ihr gibt es mit Tanja Gönner (VfB Stuttgart) nur eine weitere Aufsichtsratschefin in den höchsten beiden Profiligen. Von insgesamt 220 Personen in den Aufsichtsräten sind 194 Männer (88,2 Prozent) und 26 Frauen (11,8 Prozent).

In anderen Branchen und im öffentlichen Sektor sind Quoten und Zielvorgaben ein Instrument, um den Frauenanteil zu erhöhen. Im deutschen Profifußball haben sich laut Studie nur der FC St. Pauli und der SV Werder Bremen konkrete Ziele gesetzt und diese öffentlich kommuniziert. Der FC St. Pauli hat in seiner Satzung eine Frauenquote von mindestens 30 Prozent in Aufsichtsrat, Präsidium, Ehrenrat und Wahlausschuss festgeschrieben. Der SV Werder Bremen strebt bis 2026 Parität in allen Gremien an, mit einem Mindestziel von 25 Prozent als verbindliche Diversitätsquote.

Positiv Beispiele durch individuelle Lösungswege

Laut des Reports fehlt es an Strategien zur Erhöhung des Anteils von Frauen in Führung. Umso mehr stechen Clubs hervor, die eigene Lösungswege gefunden haben und konsequent verfolgen. Beim FC St. Pauli gab der Auftrag durch die Mitgliederversammlung für eine geschlechterparitätische Besetzung in den gewählten Gremien den Anstoß zum Wandel. Im Top-Management des Clubs sind heute 43 Prozent, im Entscheidungsgremium und Aufsichtsrat 57 Prozent und bei den Direct Reports 20 Prozent Frauen mit relevanten Anteilen vertreten.

Der einzige weitere Club, der in den genannten Kategorien Frauen engagiert hat, ist der SV Werder Bremen. Im Top-Management und bei den Direct Reports liegen die Bremer bei 25 Prozent bis 29 Prozent, im Entscheidungsgremium und Aufsichtsrat bei 11 Prozent. Hervorzuheben sind laut Analyse auch der FC Schalke 04 und der 1. FC Heidenheim, die beide im Top-Management den „kritischen Anteil“ von 30 Prozent überschreiten (50 bzw. 33,3 Prozent). Außerdem übertreffen beide Clubs den Durchschnitt bei den Direct Reports (S04: 20 Prozent, 1. FCH: 25 Prozent).

Hinsichtlich der hohen Relevanz der zweiten Führungsreihe ist laut Studie insbesondere die SV Elversberg als positives Beispiel anzuführen, da bei den Saarländern 50 Prozent der Direct Reports weiblich sind. Damit ist der Club in dieser Rubrik vor dem 1. FC Kaiserslautern (45,5 Prozent) führend. Beim FC Bayern München VfL Osnabrück und Greuther Fürth sind immerhin ein Drittel dieser Stellen weiblich besetzt, während fünf der berücksichtigten Erst- und Zweitligisten hier gar keine weibliche Führungskraft beschäftigen. Von insgesamt 332 Führungspositionen, die direkt an das Top-Management berichten, werden 268 von Männern und 64 von Frauen gehalten – dies entspricht 19,3 Prozent.

„In der Konsequenz geht es nicht nur um die oberste Führungsebene, sondern um Karrierepfade auf dem Weg an die Spitze. Von den sehr konkreten Zielvereinbarungen in Unternehmen, diese Talent-Pipelines zu schaffen, können Bundesligaclubs lernen“, wird Tanja Gönner, Aufsichtsratsvorsitzende des VfB Stuttgart und Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes der deutschen Industrie (BDI), in der Studie zitiert.

Foto: picture alliance / Selim Sudheimer | Selim Sudheimer

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